“HOUSES WILL ALWAYS BE BUILT”
Dass sie irgendwann einmal „Lehrling des Monats“ der HWK Düsseldorf werden würde, hätte sich Constanze Boss vor drei Jahren noch nicht träumen lassen: Die 20-Jährige wollte eigentlich studieren. Inzwischen ist sie im zweiten Lehrjahr als Zimmerin.
Constanze, Sie sind Auszubildende im Zimmereihandwerk. In welchem Betrieb lernen Sie?
Ich bin Auszubildende bei der Röders GmbH in Mönchengladbach, inzwischen im zweiten Lehrjahr, Im Jahr 2023 habe ich mein Abitur gemacht und anschließend mit der Ausbildung begonnen. Letzten Sommer war ich sogar Lehrling des Monats der HWK Düsseldorf.
Ist es heutzutage nicht etwas ungewöhnlich, dass man sich mit Abitur für eine Ausbildung im Handwerk entscheidet? Die meisten Abiturient:innen wollen studieren…
Das war tatsächlich auch mein erster Gedanke, ich habe mich dann aber doch dagegen entschieden. Ich wollte lieber etwas bewegen, anstatt irgendwo zu sitzen und zu lernen.
Wie sind Sie zur Zimmerei gekommen?
Als mein Opa verstarb, lösten wir sein Haus auf. Er war Schreiner und wir wussten nicht, was mit seinem Werkzeug passieren sollte. Mir kam die Idee, eine handwerkliche Ausbildung zu machen, um seine Arbeitsutensilien weiterzuverwenden – und stieß auf den Beruf der Zimmerin. Der Gedanke war schön, beim klassischen Prozess eines Hausbaus mitwirken und sehr viel beisteuern zu können. Ich bewarb mich bei der Röders GmbH, absolvierte drei Tagen Probearbeit und begann kurze Zeit später die Ausbildung.
„Ich wollte lieber etwas bewegen, anstatt irgendwo zu sitzen und zu lernen.“
Sie sind als junge Frau in einem Beruf gelandet, der hauptsächlich von Männern ausgeführt wird.
Das stimmt, in meiner Berufsschule gibt es nur noch zwei weitere Frauen. Die Arbeit erfordert viel Kraft, das ist vielleicht einer der Gründe. Für mich ist die Zimmerei ein unfassbar schöner Beruf und wenn es körperlich wirklich schwer wird, übernimmt der Kran – auch bei den Männern. An alles andere gewöhnt man sich.
Was beinhaltet die Ausbildung zur Zimmerin?
Der Beruf ist sehr vielseitig: Wir machen Dachstühle, Holzrahmenbau, Gauben, aber auch Fassaden oder Fachwerkrestauration. Es ist Teil unserer Arbeit, einfache Lösungen für Probleme zu finden, die beim Hausbau entstehen. Der Zimmereiberuf ist also sehr kreativ, auch, weil wir oft mit den Gegebenheiten arbeiten müssen.
Und er ist sehr von Traditionen geprägt, einige sind fast ein bisschen exotisch. Welche Besonderheiten gibt es im Beruf?
Zunächst einmal unsere Kleidung. Wir tragen eine klassische Zunft-Hose aus Cord und dazu eine passende Weste mit acht Knöpfen, jeder von ihnen repräsentiert eine Arbeitsstunde am Tag. Wenn man einen Knopf verliert, muss man übrigens einen Kasten Bier ausgeben. (lacht) Unsere Hosen sind sehr funktional. Für mich ist die Arbeitskleidung wie eine schicke Uniform.
An welchen Traditionen hält man im Handwerk noch fest?
Es gibt Schnitte und Konstruktionen, die seit hunderten Jahren genauso gemacht werden oder Holzverbindungen, die komplett ohne Nägel halten.
Und dann gibt es in Ihrem Beruf die Walz. Was hat es damit auf sich?
Die Walz ist eine Reise von drei Jahren und einem Tag, auf der man sich nicht näher als 50 Kilometer entfernt vom Heimatort aufhalten darf. Heutzutage geht nicht mehr jeder Zimmerer oder Zimmerin auf die Walz und diese muss auch nicht zwingend drei Jahre andauern, aber man reist ohne Geld von einer Baustelle zur nächsten und arbeitet für Kost und Logis. Ziel ist es, neue Sachen zu sehen und zu lernen. Auf die Walz geht man übrigens erst als Gesell:in, also nach der dreijährigen Ausbildung.
Welche Traditionen gibt es noch im Zimmerhandwerk? Sie haben eben schon von traditionellen Schnitten und Konstruktionen gesprochen, die inzwischen auch von Maschinen übernommen werden. Lernen Sie trotzdem noch, sie von Hand auszuführen?
Ja, das lernen wir aber nicht im Betrieb, sondern in den „Bildungszentren des Baugewerbes – BZB“ in Düsseldorf. Hier wird mit Stemmeisen und Säge per Hand gearbeitet, so wie man es früher gemacht hat. Ins BZB kommen Auszubildende aus der gesamten Region, angeleitet werden wir von einem Zimmerermeister, der übrigens auch bei der Röders GmbH ausgebildet wurde.
Viele junge Menschen arbeiten heutzutage lieber im Homeoffice als auf der Baustelle. Bei Ihnen ist es genau umgekehrt …
Das Zimmerhandwerk ist für mich eine eigene Welt und ich finde es viel schöner, körperlich zu arbeiten. In der Schule wurde immer mehr digitalisiert, irgendwann haben wir nicht mehr auf Papier, sondern nur noch auf Tablets geschrieben. In meinem Beruf arbeiten wir ganz klassisch, man braucht nur seinen Kopf, einen Stift und einen Zollstock, so wie früher. Und das gefällt mir!
„Für mich ist die Zimmerei ein unfassbar schöner Beruf“
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Immer noch im Handwerk oder wollen Sie vielleicht doch noch studieren?
Mein Beruf ist körperlich extrem anspruchsvoll und ich bin eine sehr zierliche Person. Für mich ist es daher eine gute Option, irgendwann Architektur oder Bauwesen zu studieren. Also die Theorie zur Praxis zu lernen, die ich auf der Baustelle erfahre.
Kreishandwerksmeister Frank Mund, Constanze Boss und HWK-Präsident Andreas Ehlert: Im Mai 2024 wurde die Auszubildende Boss "Lehrling des Monats" der HWK Düsseldorf.
Und wie sehen Sie die Zukunft Ihres Berufes? Glauben Sie, dass es in 50 Jahren noch Zimmerei geben wird?
Ich bin zuversichtlich. Auch wenn sich die Technik in diesem Bereich weiterentwickelt und es Möglichkeiten gibt, ein Haus in nur einer Woche zu bauen, werden die Menschen noch mit natürlichen Ressourcen arbeiten wollen. Und dazu braucht man das Handwerk der Zimmerei. Also ja, der Beruf hat Zukunft. Häuser werden immer gebaut! •
Text: Katja Vaders
Pictures: Wilfried Meyer, Nicole Röders