Ein Tag mit Kunst ist ein guter Tag

Gabriele Henkel war eine der einflussreichsten Frauen überhaupt, Trägerin eines der berühmtesten deutschen Namen. Die 2017 verstorbene Indus­triellengattin avancierte zur wichtigsten Protagonistin der Kunstszene. Ihre Kontakte waren global, politisch, künstlerisch, wirtschaftlich. VIVID blickt auf ein beeindruckendes Leben zurück.

TeamKuDBrueck--70.jpg Kopie.jpg

Gabriele Henkel handelte nach dem Prinzip von Fülle, Opulenz und Sinnlichkeit.

Gabriele Hünermann war Journalistin bei „Newsweek“ in Bonn und jüngstes und einziges weibliches Mitglied der Bundespressekonferenz. Im rheinischen Karneval traf die Chefarzttochter auf den Chemiker Konrad Henkel, der Professor an einer amerikanischen Universität werden wollte. Doch als sein älterer Bruder 1961 starb, trat Konrad an die Spitze des Düsseldorfer Familienkonzerns. Mit Konrad Henkel hat sich das Leben der Journalistin von Grund auf gewandelt. 1955 heiraten die beiden, 1958 wurde ihr Sohn Christoph geboren. 

Gabriele Henkel hat sich nie mit der Rolle der reichen Gattin begnügt, obwohl sie natürlich davon profitiert hat. Sie war Künstlerin und Kunstsammlerin, die das Ansehen der Marke Henkel („Persil, Pril, Pritt“) gefördert hat. Was für ein Glück, dass Geld nie eine Rolle spielte. Als ihre Schwester, die Galeristin Hete Hünermann, noch lebte, zog sie mit ihr durch Ateliers und Museen. Zwei stolze Schönheiten: Hete vermittelte, Gabriele half, etwa als der rumänische Künstler Daniel Spoerri 1968 unbedingt ein Eat-Art-Restaurant am Düsseldorfer Burgplatz eröffnen wollte, obwohl er keinen Pfennig in der Tasche hatte. Spoerri, der in der Schweiz lebt, ist seiner Mäzenin hoch heute dankbar.

TeamKuDBrueck--66.jpg
TeamKuDBrueck--67.jpg

Seit 1970 folgte die Kunstsinnige „dem Wunsch der Geschäftsleitung Henkel“, so formulierte sie gern in schönstem Understatement, die Firmensammlung aufzubauen. Sie wurde ihr Lebenswerk – 4.000 Exponate aller Art, inzwischen von unschätzbarem Zigmillionen-Euro-Wert, hat sie zusammengetragen. Henkel-Aufsichtsratschefin Simone Bagel-Trah betonte, wie Gabriele Henkel „mit ihrer Weltoffenheit, ihrer Neugier und ihrer künstlerischen Arbeit unser Unternehmen über viele Jahrzehnte lang geprägt und bereichert hat“. Seit 1972 gehörte Gabriele Henkel zum Beirat des Museums of Modern Art, sie sponsorte unzählige Künstler. Bis zuletzt besuchte sie die Rundgänge der Kunstakademie, entdeckte und förderte junge Talente, war Mentorin und Freundin der Kunstsammlerin Julia Stoschek. Vor drei Jahren konnten Kunstliebhaber in der Kunstsammlung K20 das betrachten, was sonst nur Mitarbeitern und Gästen des Henkel-Konzerns vorbehalten ist: 40 von Gabriele Henkel ausgewählte Lieblingsstücke. Die Schau war nach Worten von Mu­seumschefin Marion Ackermann als „ausdrückliche Hommage“ an die „Grande Dame“ der rheinischen Kunstszene gedacht. „Mich hat immer fasziniert, was für ein großer Geist sie war“, sagte Ackermann damals. Und fügte ein Kompliment hinzu: „Gabriele Henkel handelte nach dem Prinzip von Fülle, Opulenz und Sinnlichkeit.“ Für die heute amtierende Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind „Kraftwerk und Gabriele Henkel die künstlerischen Markenzeichen der Stadt Düsseldorf“. Ihr Auftritt war nie bescheiden, gerne glamourös und stets der Gradmesser für die Wichtigkeit einer Veranstaltung. Dabei konnte es passieren, dass sie vorfuhr, in die Runde schaute und wieder verschwand. „Konrad, wir gehen“, war eine früher von Veranstaltern gefürchtete Aufforderung an ihren Mann. Auch später, wenn sie zu einer Vernissage kam, waren ihr Ehrenplatz und Ehrfurcht gewiss. 

Gunter Sachs, Joseph Beuys, Robert Wilson, Andy Warhol, Frank Stella, Günter Uecker oder Markus Lüpertz – wer in den vergangenen 50 Jahren zur Kunst- und Gesellschaftsprominenz gehörte, der war ein Freund von Gabriele Henkel. Wer wichtig war, der wurde zu ihren Abendgesellschaften eingeladen. Berühmt sind Henkels kunstvolle Tischdekorationen. Bei einem Abend für den US-Künstler und Ferrari-Fan Frank Stella ließ sie eine Carrera-Bahn über den Esstisch rasen. Modeschöpfer Karl Lagerfeld – dem sie in ihrer Einmaligkeit vergleichbar war –durfte sich an Platztellern in Knopfform erfreuen. Sie war stolz auf die „gesellschaftliche Bühne“, die sie in ihrem Haus errichten konnte. Ihre Kunst der Zusammenführung von Menschen verschaffte ihr sogar eine Honorarprofessur für Kommunikationsdesign an der Universität Wuppertal.

TeamKuDBrueck--6.jpg
TeamKuDBrueck--72.jpg

Teil ihrer „inszenierten Lebenswelten“ waren Bankiers wie Jürgen Ponto und Alfred Herrhausen ebenso wie Hans-Dietrich Genscher und Theodor Adorno. Fritz Raddatz schrieb in der „Zeit“, Henkels Gesellschaften seien „der einzige Salon internationalen Formats, durchaus vergleichbar mit den großen Dinnern in New York oder Paris“ gewesen. In der Tat war Gabriele Henkel die große Ausnahmeerscheinung der Bonner Republik: eine Industriellengattin, die mit blonder Mähne oder großem Hut, aber stets mit Grandezza im internationalen Jetset ebenso zu Hause war wie in Künstlerkreisen, die berühmt war für Empfänge in der Düsseldorfer Chamissostraße oder, wenn die Gästezahl dreistellig wurde, im Henkel-Landhaus in Ratingen-Hösel.

In ihren 2017 erschienenen Memoiren „Die Zeit des Augenblicks“, entwarf die Industriellengattin ein Kaleidoskop des Kultur-Establishments. Sie erweckte die längst vergangene Welt des Wirtschaftswunder-Jetsets zum Leben. Am 28.September 2017 starb Gabriele Henkel im Alter von 85 Jahren in Düsseldorf. •


Autorin: Dagmar Haas-Pilwat