Kunst trifft christian Knott

„Wir investieren immer in das Team“

VIVID Herausgeber Rainer Kunst und Christian Knott von Capnamic Ventures haben sich für eine Joggingrunde am Rhein getroffen.

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Rainer Kunst: Wenn man dich fragt: „Hey Christian, was machst du eigentlich beruflich?” Wie antwortest du?
Das ist eine gute Frage, und meine Antwort hat sich in den letzten Jahren verändert. Vor fünf Jahren habe ich die Frage mit „Investment Banking“ beantwortet. Das stimmt zwar, wir investieren schließlich in Firmen und das Financial Engineering ist ein wichtiger Bestandteil, allerdings sehe ich es heute vielmehr so, dass das, was meinen Job ausmacht, die operative Arbeit mit den Firmen ist und weniger das Zusammenbauen von Finanzierungen. Daher ist meine Antwort heute, dass ich mit Start-ups aus dem Technologie-Sektor zusammenarbeiten darf. 

Du reist beruflich sehr viel. Wie entspannst du? 
Zum Entspannen lese ich oder mache tatsächlich in der Regel viermal pro Woche Sport. Wenn ich in Düsseldorf bin, nutze ich meistens meine Rudermaschine zu Hause oder gehe ins Fitnessstudio und mache Übungen für den Rücken, um dem vielen Sitzen Rechnung zu tragen. Joggen ist für mich zu einer Angewohnheit auf Dienstreisen geworden, da ich ein paar Joggingschuhe, ein Laufshirt und eine Hose in jede Tasche bekomme. So gesehen habe ich keine dauerhafte Lieblingsstrecke, aber das Glück, schon an ein paar wirklich spannenden Orten entlanggelaufen zu sein.

Ihr schaut euch im Jahr ungefähr 2000 Start-ups an. Das sind circa fünf pro Tag. Wie könnt ihr bei dieser Menge noch einen klaren strategischen Kopf behalten?
Wir sind ein Frühphaseninvestor, suchen also nach Firmen, die gerade in den Markt gegangen sind und jetzt Kapital aufnehmen wollen, um schneller wachsen zu können. Das, gepaart mit unserem Fokus auf digitale Technologien zumeist im B2B Umfeld, verschlankt den Korridor schon etwas und hilft uns, im ersten Schritt den Funnel auf eine beherrschbare Größe herunter zu qualifizieren. Darüber hinaus sind wir ein Team aus acht Investment Professionals – vier Partner und vier Investment Manager – die immer mit dem Vier-Augen-Prinzip arbeiten. So teilt sich der Dealflow dann nochmal weiter auf. Wenn wir dann wirklich in die tiefere inhaltliche Prüfung einsteigen, gibt es für uns klare Wegweiser, anhand derer wir Firmen bewerten. Im Zentrum steht dabei für uns das Gründerteam, denn in der frühen Phase der Unternehmensentwicklung kommt es vor allem darauf an, dass das operative Management- und Gründer-Team die notwendige Kombination aus strategischem Weitblick, Produktvision und operativem Pragmatismus mitbringt. Daneben sind für uns die technologische Stärke sowie das Gefühl, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein, die Kernkriterien. So formt das Trio aus Team, Timing und Technologie ein replizierbares Set an Entscheidungskriterien, aus denen sich dann natürlich noch jede Menge detaillierte Aufgaben in der Due Diligence ergeben.

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Was unterscheidet Capnamic von anderen Investoren?
Als Investor muss dir eins bewusst sein: Dein Kernprodukt ist vollkommen austauschbar, Geld kann am Ende jeder Investor überweisen. Im Markt hat sich in den letzten zehn Jahren der Begriff des Smart-Money etabliert, also das Geld, das mit einem zusätzlichen Mehrwert überwiesen wird. Als Venture Capitalist ist es unsere Aufgabe, das „Smart“ für uns zu definieren. Bei Capnamic setzen wir hierbei stark auf Augenhöhe in der Zusammenarbeit mit den Gründerteams. Wir werden zwar nie operative Rollen übernehmen, wollen aber für die Gründer der Ansprechpartner sein, den sie anrufen, wenn sie etwas loswerden wollen, einen Rat brauchen oder auch einen Erfolg teilen wollen. Daher ist unser Anspruch, dass jeder im Investment-Team sich bei „seinen“ Deals so eingräbt, dass er oder sie wirklich versteht, was die aktuellen Herausforderungen sind und wie wir ihnen begegnen und dem Gründerteam helfen können. Hierbei greifen wir immer wieder auf das Wissen aus unseren bestehenden Beteiligungen zurück, bringen CEOs miteinander ins Gespräch und versuchen, eine Art Schwarmintelligenz im Aufbau und Wachstum von Firmen zu entwickeln. 

Was unterscheidet einen deutschen von einem Silicon Valley Investor?
In erster Linie die Menge des Geldes. Wenn ich zwei identische Firmen aufbaue, eine in Deutschland oder generell in Europa und eine im Silicon Valley, dann wird von der ersten Runde an eine viel größere Summe in die US-Firma investiert. In Amerika wird darauf folgend das Geld allerdings auch viel schneller ausgegeben und viel schneller entschieden, ein Investment abzubrechen. Bei uns gilt hier wiederum eher noch das Prinzip der deutschen Gründlichkeit, und auch wenn amerikanische Firmen häufig früher sehr hohe Bewertungen aufzeigen, sehen wir oft, dass hinten raus doch auch europäische Firmen mit einer deutlich höheren Kapitaleffizienz nachhaltigere, höhere Bewertungen erreichen können. Da können und sollten wir selbstbewusster und ambitionierter in den Vergleich gehen.

Gibt es eine herausragende Erfolgsgeschichte?
In unserem Geschäft gibt es nicht das eine Ding, dass von A bis Z super funktioniert hat. Gründen bedeutet, sich auf einen langen Weg, auf dem sich Erfolg und Misserfolg immer wieder abwechseln werden, zu begeben, bei dem es am Ende darauf ankommt, in den entscheidenden Momenten die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Daher ist es weniger die eine Erfolgsgeschichte, sondern mehr die vielen auch kleineren Erfolge in den Firmen, mit denen ich arbeiten darf, die mich motivieren. 

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Warum steht für dich Deutschland als Innovationstreiber und Gründerland hintenan?  
Offen gestanden mag ich dieses Lamentieren zu dem Thema Innovation in Deutschland überhaupt nicht. Sind wir heute das innovativste Land der Welt? Nein. Haben wir in den letzten Jahren tolle Firmen gebaut? Definitiv. N26 ist eine der führenden Challenger Banken auf der Welt, Zalando ein international renommierter Versandhändler. Neben diesen bekannten Firmen gibt es eine Vielzahl an „Hidden Champions“, die sich in den letzten Jahren entwickelt haben, bis heute schon hohe dreistellige Millionenbewertungen erreichen konnten und weiter wachsen. Wir haben sicherlich bisher nicht die große Zahl an Unicorns gebaut, aber viele Entwicklungen gehen in die richtige Richtung. Es ist vollkommen richtig, dass die Politik mehr tun kann um Innovation zu fördern, aber wir dürfen uns auch mehr zutrauen. Ich würde mir wünschen, dass die öffentliche Diskussion positiver konnotiert wird und wir viel mehr auf Chancen gucken. Das zieht sich durch, eine solide Fehlerkultur und das Akzeptieren von Scheitern gehören dazu. Wenn wir langfristig an der Spitze der Innovation und Wirtschaftskraft mitspielen wollen, müssen wir in erster Linie etwas in unseren Köpfen ändern.

Welche Unternehmensgeschichte findest du inspirierend?
Auch hier beeindrucken mich Dinge, die ich selbst miterleben durfte, mehr als die klassischen Stories von Google, Facebook & Co. Gleichzeitig finde ich Unternehmer beeindruckender als die Firmen, da unser Investment wie schon gesagt nicht in erster Linie in die Firmen, sondern in die Teams fließt. Inspirierend ist für mich jeder, der sich für zunächst kleines Geld und großes Risiko einer eigenen Gründung widmet und dafür die vergleichsweise Sicherheit eines konventionellen Anstellungsverhältnisses über Bord wirft. Besonders beeindruckt es mich, wenn es Menschen gibt, die das mehrfach tun. Ein Team, mit dem ich sehr eng arbeiten darf, hat gegründet und lange gekämpft, aber konnte mit der ersten Gründung nie so richtig abheben. Aus der Zeit gibt es sogar noch ein Youtube Video von einer großen Tech-Konferenz, auf der der CEO sein Produkt präsentierte. Irgendwann haben sie dann ihren Versuch für gescheitert erklärt, aber im nächsten Atemzug dieselben Investoren von ihrer neuen Idee überzeugen können. Das hat sehr erfolgreich funktioniert, und die Firma gehört heute zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen in Europa. Das stereotypische „Hinfallen, Aufstehen, Mund abputzen und Weiterlaufen“ beeindruckt mich sehr und davor habe ich sehr großen Respekt. Es motiviert gleichzeitig auch mich, weiter Gas zu geben.

Gibt es Start-ups aus Düsseldorf die bei euch im Portfolio zu finden sind?
Ja, wir haben vor rund einem Jahr bei aifora investiert, einer Firma die automatisiertes, dynamisches Pricing für Retailer – vor allem im Fashionsegment – anbietet. 

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Welche Felder sind zukünftig Wachstumstreiber? 
Mit einem Blick auf Industrien glaube ich, dass wir mit der Transformation des Finanzsektors noch nicht am Ende sind. Auch hier denke ich dabei aber nicht an stark erhitzte Themen wie die Blockchain, sondern eher an zugrundeliegende infrastrukturelle Veränderungen, die durch die Öffnung der Banken passieren und durch Challenger Banken immer stärker forciert werden. Außerdem glaube ich, dass wir in der Industrie große Veränderungen erleben werden. Schon heute sehen wir, wie Kostendruck der zentrale Treiber für Innovation in allem von Automotive bis hin zu Schwerindustrie ist. Nicht nur die Messbarmachung durch smarte oder nachträglich smart gemachte Maschinen wird hierbei einen erheblichen Faktor spielen. Auch die Erhöhung von Transparenz durch Marktplätze, die jedem Spieler in der Wertschöpfungskette eine stärkere vertikale Integration ermöglichen und vor allem Preistransparenz schaffen, wird einschneidende Veränderungen mit sich bringen.

Ihr kooperiert mit der Stadtsparkasse Düsseldorf. Wie läuft die Zusammenarbeit ab?
Das ist richtig, die Stadtsparkasse Düsseldorf ist Investor in unserem Fonds. Wir haben Capnamic von Anfang an als sogenannten Multi-Corporate Fund platziert. Das heißt, wir wollen nicht nur eine gute Rendite für unsere Investoren erwirtschaften, sondern vor allem auch für unsere Unternehmensinvestoren eine Brücke zur digitalen Welt sein. Wir sehen, dass jedes Unternehmen die digitale Transformation anders lebt. Unsere Aufgabe ist es, zu verstehen, was die Ziele unserer Investoren in diesem Zusammenhang sind. Diese können je nach Industrie des Investors vollkommen unterschiedlich sein. Die Stadtsparkasse zum Beispiel sucht nach Möglichkeiten, neben dem Kerngeschäft der Finanzdienstleistung ihren Kunden weitere Mehrwerte anbieten zu können. Mit unseren Ansprechpartnern in Düsseldorf reden wir regelmäßig über Firmen aus unserem Dealflow, die in diese Strategie passen. Wir haben auch schon Veranstaltungen mit Kunden der Stadtsparkasse und unseren Portfoliofirmen organisiert. Getreu dem Motto „Alles kann, nichts muss“ sehen wir unsere Aufgabe darin alle an einen Tisch zu bringen. Was danach passiert, ergibt sich im Gespräch. Es ist ein iterativer Prozess, in dem wir immer besser verstehen, was für unseren Investor funktioniert. Das funktioniert nur, wenn der Austausch vertrauensvoll und intensiv ist. Auf der anderen Seite sind Unternehmensinvestoren für uns, beziehungsweise unsere Portfoliounternehmen spannend, da wir ihnen einen einfachen Zugang zu zum Teil Vorständen von Unternehmen verschaffen können, wo du als Start-up sonst nicht so ohne Weiteres drankommst. Hier hilft uns die Vielzahl an Industrien in unserem Investorenkreis, eigentlich für jedes Start-up, mit dem wir arbeiten, eine Reihe gute Kontakte herstellen zu können. So greift das Investment des Unternehmens in Capnamic mit dem Mehrwert für unsere Portfoliounternehmen gut ineinander. Daher halte ich das Investieren in einen unabhängigen Venture Capital Fonds wie Capnamic für einen langfristig sinnvollen Teil der Gesamtstrategie zur Steigerung der Investitionskraft für Unternehmen. •

www.capnamic.com

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Christian Knott

• geboren 1988 in Köln

• Master in Innovation and Management

• seit 10 Jahren als VC tätig.

• Capnamic wurde 2012 gegründet, managt heute zwei aktive Fonds mit rund 30 Beteiligungen.


Autorin: Britt Wandhöfer 

Fotos: Frank Beer


VIVID 01 | 2020

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