Art Direction: AI?

 

KI hat das Potential, den Kreativprozess zu beschleunigen, zu optimieren und zu erweitern. Aber welche Auswirkungen hat die technische Revolution bereits heute auf Kunst, Musik, Architektur und Design?
VIVID hat mit Gestaltern verschiedener Gewerke gesprochen.


 

Düsseldorfs Kreativszene experimentiert mit KI. Vor allem im Design lassen sich damit komplett neue Welten entwickeln, wie etwa diese Bildkomposition von Eli Alaimo Di Loro. 


Kreative Texte mit ChatGPT, surreale Bildwelten mit Dall-E, Kampagnen mit MidJourney – innerhalb von Sekunden können mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Werke entstehen, die unsere bisherige Vorstellungskraft sprengen. Und in die Designer, Architekten oder Musiker bislang viel Zeit und Erfahrung investierten. Bedeutet KI für die Kreativwirtschaft einen Fluch oder Segen? „Ich bin überzeugt, dass mein Beruf in naher Zukunft deutlich kreativer sein wird“, zeigt sich Alexandros Michalakopoulos, Designer und Mitgründer der Düsseldorfer Agentur Morphoria entspannt. Bisher sei KI eine Art Spielwiese, auf der Gestalter experimentieren und Grenzen erkunden können. Durch den Einsatz von KI-Tools bei Routineaufgaben könne er seinen Fokus verstärkt auf kreative Prozesse lenken. Zeit für konzeptionelles Arbeiten und dem Lösen von Kundenproblemen verschafft KI auch der Werbeagentur Jung von Matt. „Wir erleben gerade eine nächste Stufe der Automatisierung, die mehr Raum für kreatives Denken schafft“, sagt Chief Innovation Officer Max Lederer, „Künstliche Intelligenz wird für Kreative zu einem selbstverständlichen Bestandteil im Arbeitsprozess werden, schlicht: ein weiteres Werkzeug.“ Auch wenn einen die Ergebnisse von KI in der Text- und Bildgestaltung aktuell zum Staunen bringen, werde die „typische MidJourney-Ästhetik“ irgendwann alltäglich. „Menschen möchten überrascht werden und dafür braucht es Kreativität, die aus der Masse des zu erwarteten heraussticht“, ist Lederer sicher.

Auch wenn KI vermeintlich alles tut, machen Menschen im Umgang mit ihr letztendlich den Unterschied. Es braucht neugierige Kreative, die offen für technologische Entwicklungen sind und spielerisch mit den neuen Werkzeugen umgehen. Eli Alaimo Di Loro etwa hat bereits mit KI Programmen Logos entworfen, Konzepte visualisiert und Valentinskarten für Roboter entworfen. „Bei allen Experimenten muss an irgendeinem Punkt die gestaltende Person eingreifen, denn alleine kommt KI nicht zu einem wirklich brauchbaren Ergebnis“, so Eli’s Fazit. KI bedeute einen Verlust an Kontrolle über bestimmte Gestaltungsparameter: Ein Grund, warum es (noch) kaum bei Kundenprojekten eingesetzt wird, sondern meist bei freien Arbeiten. Zudem sei aktuell unklar, wer beim Arbeiten mit KI-Tools die Urheberrechte an den Bildern hat, da die Algorithmen mit Bildern aus dem Internet gefüttert werden. 

Ich bin Überzeugt, dass mein Beruf in naher Zukunft deutlich kreativer sein wird.

Nicht nur in Design und Werbung, sondern auch in der Architektur revolutioniert KI die Prozesse. „Durch KI-basierte Tools wird die Effizenz erheblich gesteigert. Durch bildgenerierende KI entstehen Skizzen, die beinahe realistisch wirken. Grundrisse lassen sich mühelos bearbeiten. Das schärft gleichzeitig den Fokus auf die Qualitätssicherung der Ergebnisse“, sagt Architektin Anna Wollenberg. Baukultur befinde sich gerade in einem radikalen Wandel, bei dem KI helfen könne, Ressourcen zu schonen und CO2 reduzierende Konzepte zu entwickeln. Das Düsseldorfer Architekturbüro Nidus wird von KI bereits in der Visualisierung von Entwürfen sowie der Simulation und Optimierung von Energieeffizienz und in der Bauüberwachung unterstützt. „Hier schlummert aber noch viel Potential. Interessant wird es, wenn es entsprechende Programme gibt, die KI und menschliche Intuition geschickt miteinander verknüpfen“, sagt Nidus Gründerin Annelen Schmidt-Vollenbroich. Auch für Tina Jokisch, General Manager des Architekturbüros Schwitze & Partner, steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen: „Erste Visualisierungen mit Midjourney zeigen, dass das sekundenschnelle Ergebnis auf den ersten Blick beeindruckend ist, aber bei näherer Betrachtung sehr oberflächlich und nicht wirklich überzeugend“, sagt Jokisch und ergänzt: „Es entsteht nichts Neues, sondern nur eine Zusammenfassung des schon Dagewesenen. Wir entwickeln für jeden Kunden ein Alleinstellungsmerkmal. Das kann KI noch nicht ausspucken.“ Dass wir aber am Anfang großen Umwälzungen stehen, sieht die Kreative pragmatisch: „KI Tools werden bald selbstverständlich werden, nicht nur im kreativen Prozess, sondern in allen Lebensbereichen. Ihr Einsatz ist keine freie Ent-scheidung mehr.“ 


Volker Bertelmann | Komponist und Musiker | Hauschka 

AI and music

Wie stehen Sie als Komponist zu KI? 

Ich experimentiere nicht mit KI und ich sehe im Moment nicht, wie mich eine KI entlasten oder inspirieren könnte. Meine Musik ist in vielerlei Hinsicht zu handgemacht, um sie von einer KI erzeugen zu lassen. Ich bin neuen Techniken gegenüber sehr aufgeschlossen, aber für meine kreativen Arbeitsprozesse macht das Einwirken einer KI gerade gar keinen Sinn. 

Was macht KI mit der Musikbranche? 

KI kommt mit Sicherheit der Entwicklung des Musikstreamings und einfachen Konsumierens von Musik entgegen. Es werden heute schon Hits mit KI produziert, aber leider geht dabei der Teil verloren, der die Musik auch ausmacht: nämlich das persönliche Erlebnis zwischen Künstler und Fans. Ich weiß nicht, ob wir nur noch Retortenkunst haben wollen. Wir sind ja durchaus in der Lage trotz KI selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen, die sich auch hier und da bewusst gegen KI entscheiden. 

Was wünschen Sie sich für die Musik der Zukunft? 

So lange ich Musik machen kann, möchte ich auch jüngeren Menschen vermitteln, dass die handgemachte, experimentelle Musik, die aus einer menschlichen Idee entspringt, eine ganz außergewöhnliche und eigene Qualität hat. Das heißt nicht, dass KI generierte Musik nicht parallel existieren kann. 


KI and Art

Kann KI Kunst?

Alain Bieber | Künstlerischer Leiter | NRW-Forum Düsseldorf 

Immer mehr Künstler arbeiten mit KI und produzieren spektakuläre Werke. Wir haben im Kunstpalast erst kürzlich die monumentalen Datenskulpturen des Künstlers Refik Anadol ausgestellt – alle Werke wurden mittels KI erschaffen. Besucher sind sehr an diesen Themen interessiert und deshalb sind begleitende Veranstaltungen und Workshops auch so wichtig.

Welche Bereiche verändert KI?

KI wird alle Bereiche verändern. Sie steckt ja jetzt schon in so viel Geräten, Software und Websites, die wir tagtäglich nutzen. Noch nutzen Menschen die KI vor allem als Unterstützer, meist handelt es sich um Mensch-Maschine-Interaktionen. Künstler lassen sich inspirieren, lassen KI komponieren, schreiben oder neue Bildwelten erschaffen.

Erobert KI unsere Museen?

In Museen werden wir bald mehr Ausstellungen sehen, die von einer KI kuratiert wurden. Wir werden mehr Kunstwerke sehen, die nicht von Menschen erschaffen wurden. Und vielleicht erleben wir bald auch noch eine technologische Singularität, in der eine KI ein eigenes Museum erschafft – für Kunstwerke von anderen KIs, die dann auch nur noch von KIs besucht werden. Aber dieses Museum wird das klassische Museum als sozialen Ort, in dem sich reale Menschen begegnen und über kulturelle Inhalte austauschen, nicht ersetzen. • 


Words: Karolina Landowski
Pictures: PR, Eli Alaimo Di Loro, Morphoria, Volker Conradus, Eli Alaimo Di Loro, Hannes Caspar, Katja Illner