Between two worlds

 

Sie ist die Frau, der Prominente wie Nazan Eckes, Franziska Knuppe und Liz Mohn ihre Schönheit anvertrauen und seit vielen Jahren auf ihr Beauty- und Fashion-Gespür vertrauen. Laila Hamidi spricht nicht gern über ihre prominente Kundschaft. Styling bedeutet Diskretion. Als selbstständige Beauty Artistin betreute sie zahlreiche glamouröse Events und reiste um die Welt, zu den Filmfestspielen nach Cannes, den Bambi-Verleihungen, den Partys rund um die Oscars in Hollywood, zur Fashion Week in Berlin oder zum Rosenball nach Monaco. All das änderte sich mit dem Ausbruch der Pandemie: Während der Corona-Zeit blieben die Stars zu Hause und das bis dato so erfolgreiche Geschäftsmodell verlor von heute auf morgen seine Grundlage. Doch Laila Hamidi hatte schnell einen neuen Plan. Zum Gespräch mit ihr treffen wir uns im Steigenberger Parkhotel an der Königsallee, ein Umfeld, in dem sich die Afghanin heute heimisch fühlt.

 
 

Dein Glitzer-Glamour-Leben hat zwei Seiten, wie sie kontrastreicher nicht sein könnten. Einerseits mit den Stars auf Tuchfühlung, andererseits Schutzpatronin der Frauen am Hindukush. Seitdem der TV-Sender BBC Persian über deine Arbeit in Deutschland berichtete, wirst du von afghanischen Frauen auf der ganzen Welt in den sozialen Netzwerken als Influencerin gefeiert. Die Followerzahl auf Instagram ist sechsstellig. 2020 hast du ein Experiment gewagt, was wolltest du deiner alten Heimat „zurückgeben“?

Ich habe erste eigene Beautyprodukte, Lippenstifte und Pinsel entwickelt, präsentierte sie in einer Parfümerie in Kabul (ohne Kopftuch) – noch bevor man sie im Online-Shop bei Douglas kaufen konnte. Es war ein voller Erfolg, denn ich bin die erste Afghanin mit einer eigenen Produktlinie. Der größte private Fernsehsender Tolo TV brachte Interviews mit mir - und zwar alle ohne Kopftuch. Wir planten sogar eine Castingshow „Laila Hamidi´s Beauty Face”, inspiriert von Heidi Klums „Germany´s Next Topmodel“. Der Unterschied ist: Meine Show richtete sich gezielt an ein afghanisches Publikum, ob es in Afghanistan lebt, in Europa oder woanders auf der Welt. 

Woher kamen die Models?

Nach einem Aufruf über Instagram haben sich in nicht mal 24 Stunden mehr als tausend Mädchen zum Casting gemeldet. Zum ersten Dreh in Hamburg erschienen 300 junge Frauen aus halb Europa. Viele von ihnen waren total überschminkt, mit künstlichen Wimpern, manche sogar mit aufgespritzten Lippen und Extensions à la Kim Kardashian. Orientalische Frauen machen einfach immer zu viel, und ich will ihnen zeigen, dass es auf natürliches Aussehen ankommt. Ich möchte den Frauen Mut machen, damit sie sich in ihrer Haut wohlfühlen.

„Ich möchte den Frauen Mut machen,
damit sie sich in ihrer Haut wohlfühlen.“

Aber wozu eine Show, die sich um Beauty und Mode dreht, in einem Land, in dem Frauen keine Haut zeigen dürfen? 

Es ist ein Frauen-Projekt für Frauen: Ich will ihnen deutlich machen, dass sie sich nicht verstecken müssen. Sie sollen sichtbar und selbstbewusst werden. Mein Ziel war es, Frauen als Geschäftsfrauen zu präsentieren. Ich wollte die jungen Frauen sehr hochwertig zeigen und ihnen eine Tür öffnen in dieser Branche. Denn in der afghanischen Gesellschaft herrscht immer noch die Vorstellung, dass Frauen über 30 alt und verbraucht sind. Typischerweise hat sie mit 15 geheiratet und dann sieben oder acht Kinder bekommen. In Gesprächen höre ich immer: Unsere Zeit ist vorbei. Dagegen und gegen die herrschende männlich dominierte Meinung, dass eine Frau, die arbeitet und sich hübsch macht, keine gute Frau ist, habe ich von klein auf gekämpft. Ich selbst bin verheiratet, bin 40, habe einen großen Sohn, arbeite trotzdem und style mich so, wie es mir gefällt. Kleider und Schminke können Selbstvertrauen geben, davon bin ich überzeugt. Deshalb sehen viele Afghaninnen in mir eine Art Vorbild. 

Auf eigene Kosten und mit Sponsoren-Hilfe hast du die sechsteilige Show produziert. Du hast als Autodidaktin sogar Regie geführt und die Produktion geleitet. Am Ende jedoch hat der Wiederaufstieg der Taliban die geplante Ausstrahlung im Fernsehen torpediert. Und nun?

Das hat mich hart getroffen, ich war fassungslos - all der Einsatz und die Mühe. Aber viel schlimmer ist, was aktuell in dem Land passiert. Es ist furchtbar, alles wird zunichte gemacht, was wir versucht haben, aufzubauen. (Laila Hamidi unterstützt bereits seit 15 Jahren die Organisation „Hofa“, die sich für Kinder und Frauen in ihrer Heimat einsetzt.) 

Du willst dennoch weiterkämpfen?

Unbedingt. Die fertigen Folgen sind auf YouTube zu sehen. Die zweite Staffel ist geplant, Gespräche mit Netflix laufen. Ich will etwas bewegen, etwas zurückgeben, denn Wandel ist möglich, davon bin ich überzeugt. Ich selbst habe viel Glück gehabt und bin dankbar über mein Leben in Düsseldorf. Die Stadt ist mein Glücksbringer, hier habe ich so viel erreicht. 

Alles ist machbar – sagt die Frau, die als Kind nichts anderes kannte als Krieg. Lailas Geschichte ist eine Geschichte von Flucht und Zuflucht, Krieg und Elend - und Integration. Und jetzt der Krieg in der Ukraine, was macht das mit dir?

Ich habe Angst, bin traurig und fühle mit, wenn ich die Menschen in den Kellern und U-Bahnhöfen sehe, all die Bilder von Zerstörung und Flucht. Dann werden auch meine Erinnerungen wieder wach: Als ich Kind war, lief direkt vor unserer Haustüre eine Frontlinie. Wir hatten keinen Strom, nur Öllampen. Vor den Fenstern stapelten sich die Matratzen, um uns vor Granatsplittern zu schützen. Heute weiß ich, was ich damals erlebt habe, hat mich stark gemacht. 

„Die Frauen meines Heimatlandes sollen nicht vergessen, was es heißt, selbstbestimmt zu leben und sich nicht verhüllen zu müssen.“

Was sind deine Pläne für die nahe Zukunft?

Ich werde wieder reisen, mit High-Luxury-Brands zusammenarbeiten und meine Styling-Loungen bei großen Events eröffnen. Meine eigene Produktlinie an Beauty-Tools baue ich weiter aus. Ziel ist es, eine eigene Brand-und-Beratungs-Agentur zu führen. Und natürlich soll die Castingshow von nun an jedes Jahr produziert werden. Die Frauen meines Heimatlandes sollen nicht vergessen, was es heißt, selbstbestimmt zu leben und sich nicht verhüllen zu müssen. •


Über Laila Hamidi 

Laila Hamidi wurde 1981 in Kabul, der Hauptstadt von Afghanistan, geboren als jüngstes von vier Kindern. Ihre Mutter arbeitet als Schuldirektorin, ihr Vater ist ein Polizeigeneral. Mitten im Krieg flüchtete sie 1997 mit ihrer Familie nach Rotterdam, machte das Abitur auf Niederländisch und begann ein Wirtschaftsstudium. Wegen der Liebe zog Laila Hamidi nach München und nach Düsseldorf. Heute spricht die Mutter eines 17 Jahre alten Sohnes neben Dari und Farsi, Englisch und Niederländisch auch fließend Deutsch. Die 40-Jährige gilt als eine der besten Fashion-Stylistinnen Deutschlands. Ihr Spezialgebiet sind Auftritte auf dem roten Teppich, das heißt, sie stylt und schminkt die Stars, kennt ihre modischen Vorlieben und besorgt bei den Luxus-Modemarken die entsprechende Auswahl an Kleidern, Accessoires und Juwelen. 2017 wurde sie für ihre Kreativität und Kompetenz auf der Beauty-Messe in Düsseldorf mit der Goldenen Maske für Visagistik ausgezeichnet. Als gebürtige Afghanin engagiert sie sich weiter für die Frauen in ihrem Heimatland. 


Words Dagmar Haas-Pilwat 
Pictures Streetsyleshooters, Isa Foltin & Franziska Krug