Kunst trifft Felix Krämer

“ The entire building is ready to be rediscovered”

Seit Oktober 2017 ist Felix Krämer Generaldirektor des Kunstpalasts. Vor der Kulisse einer riesigen Baustelle sprach VIVID-Herausgeber Rainer Kunst mit ihm über Zukunftspläne, Museumsbusiness in Lockdown-Zeiten und Engagement von Firmen und Bürgern. 

Im Übergang der beiden Gebäudeteile des Kunstpalastes, im sogenannten Belvedere, gibt es den besten Blick auf den Ehrenhof und die Tonhalle. 

Im Übergang der beiden Gebäudeteile des Kunstpalastes, im sogenannten Belvedere, gibt es den besten Blick auf den Ehrenhof und die Tonhalle. 

Wegen Corona konnten wir uns heute nicht wie üblich bei diesem Format zum Joggen oder Radfahren verabreden. Wenn wir die Wahl gehabt hätten: Was wäre Dir lieber gewesen?
Ich fürchte beim Joggen wärst Du mir davongelaufen. Ich finde Laufen allein schon anstrengend und dann auch noch zusätzlich dabei denken und sprechen – keine schöne Vorstellung. Nein, definitiv lieber Rad-fahren. Ich bin permanent mit dem Fahrrad unterwegs, das ist mein Sport.


„Das Tolle am Kunstpalast ist die sehr heterogene Sammlung, denn mit einem „Gemischtwarenladen“ kann man kreativ arbeiten, er hält Überraschungen bereit.“


Als Du im Oktober 2017 als Generaldirektor beim Kunstpalast angetreten bist, war das Gebäude in einem maroden Zustand. Warum hast Du Dich für den Kunstpalast als neuen Arbeitsort entschieden und wie schreitet die umfassende Sanierung voran?
Das Tolle am Kunstpalast ist die sehr heterogene Sammlung, denn mit einem „Gemischtwarenladen“ kann man kreativ arbeiten, er hält Überraschungen bereit. In einem Haus, wo sich ein Meisterwerk an das nächste reiht, ist es viel schwieriger Geschichten zu erzählen und Neugier zu entfachen. Deswegen brauchen wir im Kunstpalast eine gute Aufenthaltsqualität und daran arbeiten wir derzeit intensiv. Ich bin selbst überrascht, wie gut und schnell wir mit dem Umbau vorankommen. 

Wir haben uns gerade gemeinsam die riesige Baustelle angesehen. Wie soll der neue fertige Kunstpalast denn einmal aussehen?
Der Plan ist, dass wir im Spätsommer 2022 eröffnen. Das neue Gebäude wird von außen homogener wirken, die maßgeblichen Änderungen werden aber innen und im Hof zu sehen sein. Wir werden zum Beispiel das Café und Restaurant Richtung Hof öffnen mit einem schönen Blick auf die Tonhalle und den Springbrunnen. Im Innern gibt es neue Grundrisse, neue Treppenhäuser, neue Bereiche für kulturelle Bildung – die Veränderungen sind so massiv. Das ganze Haus kann neu entdeckt werden. Viele Menschen wissen gar nicht, was für eine exzellente und breite Sammlung quer durch alle Epochen wir hier haben – da wird es Überraschungen geben, denn hier schlummern wahre Schätze. Die Idee ist, eine verknüpfende Geschichte für die Besucher zu erzählen, von diesen Konfrontationen und Kombinationen verspreche ich mir sehr viel. Einen großen Stellenwert werden auch digitale Angebote wie Avatare oder gescannte Objekte einnehmen. Das ist für mich ein Kernaspekt für ein neues Museumserlebnis.

Einer der Ausstellungssäle im Kunstpalast dient während der Umbaumaßnahmen als Lagerraum.

Einer der Ausstellungssäle im Kunstpalast dient während der Umbaumaßnahmen als Lagerraum.



Zum einen wird gerade umgebaut, zum anderen müsst Ihr Corona-bedingt derzeit den Kunstpalast schließen (Stand: 28. November 2020). Was macht das mit Euch und wie kommt Ihr durch diese schwere Zeit?
Ein Museum ist auch ein Wirtschaftsbetrieb, wir haben hier fast 100 Mitarbeiter. Es wäre naiv zu glauben, dass es nach einem Lockdown einfach so weitergeht. All das, was gerade an Umsatz wegfällt, ist weg und kann auch nicht nachgeholt werden. Das ist ein Riesenproblem. Anstatt mit einem Überschuss schließen wir das Jahr mit einem massiven Defizit ab. Im Gegensatz zu Einrichtungen wie etwa Bibliotheken, die derzeit geöffnet sind, sind Museen darauf angelegt, dass Besucher Distanz halten. Insofern ist die aktuelle Schließung des Kunstpalasts frustrierend für mich. Während wir hier sitzen, kann man im Baumarkt einkaufen. Aber wir müssen damit umgehen und hören natürlich nicht auf, Programm zu machen. Zum Beispiel haben wir eine von Claudia Schiffer kuratierte Ausstellung, die für März 2021 geplant war, in den Sommer 2021 verschoben. Dann wollen wir einladen in die Modewelt der 1990er-Jahre – eine Ära, die bis heute Standards setzt.

Neben den öffentlichen Erlösquellen spielt auch Corporate Citizenship eine wachsende Rolle für den Kunstpalast. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Unternehmen?
Unser Sponsoring und Fundraising haben wir in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut. Es sind gute Partnerschaften mit Unternehmen daraus entstanden. Kunst dient gerade für große Firmen ja auch als Projektionsfläche. Das ist ein Imagetransfer, der in beide Richtungen funktioniert. Durch diese Kooperationen konnten wir auch unser digitales Angebot stark ausbauen. Die ERGO hat uns zum Beispiel dabei unterstützt, die erste Museumswebsite für Kinder in Deutschland umzusetzen. 

Das Altarbild in der Gemäldegalerie "Die Himmelfahrt Mariae" von   Peter Paul Rubens mit seinem Format 473 x 332 cm musste von der Wand genommen und verpackt an einen sicheren Ort gebracht werden

Das Altarbild in der Gemäldegalerie "Die Himmelfahrt Mariae" von
Peter Paul Rubens mit seinem Format 473 x 332 cm musste von der Wand genommen und verpackt an einen sicheren Ort gebracht werden


Seit rund einem Jahr ist der Kunstpalast auch für das benachbarte NRW Forum zuständig. Mit welchem Erfolg?
Wir haben das große Glück, dass da unter der Leitung von Alain Bieber eine unheimlich große kreative Energie und auch Kompetenz, vor allem im Digitalen, vorhanden ist. Bei dieser Zusammenarbeit versuchen wir die Vorteile beider Einrichtungen miteinander zu ergänzen und zu nutzen – und das geht in beide Richtungen. Das kleinere „Boot“ NRW Forum ist wendiger und flexibler, der große „Tanker“ Kunstpalast gibt eine gewisse Sicherheit und Verlässlichkeit. Das hat sehr gut geklappt in diesem ersten Jahr und ich bin sehr dankbar, dass das NRW Forum zum Kunstpalast gehört. 

Gemeinsam geplant ist für das nächste Jahr die „Augmented Reality Biennale“ 2021. Worauf können wir uns da freuen?
Ich glaube, das wird ein Highlight des Jahres. Denn immer mehr Künstler arbeiten mit AR und VR und es ist wichtig, diesen Themen Raum zu geben. Wir werden diese Ausstellung im Hofgarten zeigen. Kuratiert wird sie von Alain Bieber, etliche Künstler haben schon zugesagt. Dabei geht es auch darum, jüngere Zielgruppen mit zukunftsweisenden „Produkten“ anzusprechen – eine AR-Biennale könnte da ein Weg sein.



„Mein Antritt beim Kunstpalast
war auch eine bewusste
Entscheidung für die Stadt.“



Aufgrund des Lockdowns im November war die Ausstellung „Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns“ nur vier Tage geöffnet. Eine zwölf Meter hohe Wand ist hier mit der Arbeit „Bosnian Girl“ (2003) von Šejla Kamerić tapeziert.

Aufgrund des Lockdowns im November war die Ausstellung „Empört Euch! Kunst in Zeiten des Zorns“ nur vier Tage geöffnet. Eine zwölf Meter hohe Wand ist hier mit der Arbeit „Bosnian Girl“ (2003) von Šejla Kamerić tapeziert.


Gesellschaftliche Teilhabe ist Dir auch wichtig. Das zeigt zum Beispiel das Projekt Palast-Pilot_innen.
Ja, wir haben über 1.000 Bewerbungen von interessierten Düsseldorfer_innen bekommen, von denen wir 10 Palast-Pilot_innen auswählen. Durch sie wollen wir erfahren, was wir bei der Neugestaltung des Kunstpalasts noch besser machen können. Ich freu mich da auf Dialoge auf Augenhöhe. Berufsbedingt bin ich natürlich ein Fachidiot. Eigentlich kann ich nur eines ganz gut: Museum. 

Was gefällt Dir am Standort Düsseldorf? Und welche Wünsche hast Du an die Stadt?
Mein Antritt beim Kunstpalast war auch eine bewusste Entscheidung für die Stadt. Wenn Du Dir anschaust, was in Berlin, Hamburg, München oder Frankfurt im Museumsgeschäft passiert, muss ich sagen, dass im „kleinen“ Düsseldorf eine ganze Menge los ist. Die Stadtgesellschaft ermöglicht das, interessiert sich dafür, honoriert das. Wünschen würde ich mir ein noch stärkeres Bewusstsein dafür, dass wir es alle gemeinsam in der Hand haben, wie angenehm es sich in der Stadt leben lässt, auch durch Kultur. Der Freundeskreis unseres Museums hat sich in den letzten Jahren verdoppelt. Das ist wirklich großartig und ein wunderbares Kompliment für die Arbeit des ganzen Teams. Zudem ist das eine wunderbare Motivation, nicht nachzulassen. Denn der Erfolg des Hauses liegt an uns allen. •

KUNSTPALAST
Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf 
www.kunstpalast.de

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FELIX KRÄMER

•  Since October 2017: General Director
and Artistic Manager of the Museum Kunstpalast
•  2008 – 2017: Head of Collection, Kunst der Moderne, Städel Museum, Frankfurt/Main
•  2004 – 2008: Curator and Advisor to the Director, Kunsthalle Hamburg Worked as exhibition curator, amongst others, at the Royal Academy of Arts, London, Musée d’Orsay, Paris, and the National Museum for Western Art, Tokyo.
•  Personal passions: Not to everyone’s taste and definitely without a rational explanation: kitsch tea cups with images of the British Royal Family. The more lurid the better!


Interview Tom Corrinth 
Pictures Frank Beer

(Der Artikel wurde bereits im Dezember 2020 geschrieben)