From master baker to deputy mayor

In der Backstube steht er wegen einer Mehlstauballergie schon länger nicht mehr. Auch in seinen Geschäften wird er aus Zeitmangel nur noch selten hinterm Tresen Hinkelsteine, Kifferkruste und Elsässer Brot verkaufen: Seit mehr als einem Jahr ist Josef Hinkel Erster Bürgermeister der Landeshauptstadt und er wird als CDU-Politiker Spuren hinterlassen. Mit scheinbarer Leichtigkeit hat der 62-jährige Ex-Karnevalsprinz und -chef bisher verschiedene Rollen übernommen und die Kostüme gewechselt. Er ist Unternehmer, zur eigenen Marke geworden und bestens verdrahteter Netzwerker. Doch nun strebt der gebürtige Düsseldorfer und rheinisch-heitere Strahlemann („jeck und nett“) eine ernsthafte politische Karriere an. Zum Gespräch mit Josef Hinkel treffen wir uns im Rathaus, im Büro, das er von seinem Vorgänger Friedrich G. Conzen „geerbt“ hat.

Was haben Sie im Büro verändert?
Die technische Ausstattung ist neu, das Mobiliar ist so geblieben, zwei kleine Sessel sollen demnächst die unbequemen Stühle ersetzen, mit dem Teppichboden werden wir weiterleben (schaut fragend seine Referentin Annette Leonhardt an). Das Kreuz über der Tür bleibt. Von mir sind alle Bilder und Objekte – die Gemälde von der Oberkasseler Brücke und die an den Nagel gehängte Narrenkappe, die Hoppeditz-Skulptur mit eingravierter Bäckerkappe von Bert Gerresheim und – nicht zu übersehen das riesige Foto – ein Weihnachtsgeschenk meiner Frau. Aufgenommen im Kesselhaus im Areal Böhler zeigt es lässig in Jeans und weißen Shirts Nicole Hinkel mit den fünf Kindern Sophie (25), Johannes (21), Josef (18), Hannah (16) sowie Franziskus (13).


Wie schafft man den Spagat vom Unternehmer zum Politiker? 
Die Nachfolge in der Firma ist geregelt: Meine Tochter Sophie hat ihren Master gemacht und die Prüfung zur Bäckermeisterin mit Einser-Note bestanden. Ab diesem Jahr löst sie mich an der Spitze der Bäckerei ab, sorgt für neuen Wind, hat schon unser Markenlogo moderner gestaltet, bedient die Social Media Kanäle und hat eine stattliche Anzahl an Followern. Wir haben den Generationenwechsel sorgsam vorbereitet und für einen sanften Übergang gesorgt. Zum Glück kann ich gut loslassen und gehe zu gern neue, unbekannte Wege. 

„Ich gehe zu gern neue, unbekannte Wege.“

Vermissen Sie nicht den Kontakt zu den Kunden, die Plaudereien über den Tresen und die Runden durch die Altstadt mit dem Lastenfahrrad im Bäcker-Outfit?
Ich habe diese Zeit genossen, konnte in all den Jahren den Betrieb weiterentwickeln und vergrößern. Das Geschäft mit 95 Mitarbeitern läuft. Es war Zeit für einen Wechsel, für eine neue Herausforderung. Man entwickelt sich weiter.

Neues Amt, neue Herausforderung – was macht das mit Ihnen?
Bürgermeister zu sein ist nichts, was man mal eben nebenbei macht. Es ist ein Ehrenamt und zugleich ein Fulltime-Job. Meine Lernkurve als Seiteneinsteiger ist richtig steil, der politische Betrieb und der Verwaltungsapparat waren Neuland für mich. Bei allen Amtsleitern und in den Bezirksverwaltungsstellen stelle ich mich persönlich vor. Denn der direkte Kontakt ist mir sehr wichtig. So wie in meinem Familienunternehmen geht es auch im Rathaus um gegenseitiges Vertrauen. Wenn das nachhaltig gestört ist, wenn die Wertschätzung fehlt, wäre ich bereit, meine Konsequenzen zu ziehen – wie damals beim Rücktritt als Chef des Comitee Düsseldorfer Carneval. Die Situation hat mich persönlich seinerzeit sehr getroffen. 

Bislang haben Sie frei weg von der Leber Ihre Reden gehalten – ob in der Bütt oder bei einer Kunstauktion und nun?
Rhetorik steht auf meinem Lehrplan, ich trainiere Stimme und Auftritt, suche bewusst das Feedback von Experten. Schließlich vertrete ich den Oberbürgermeister bei einer Vielzahl seiner Termine – Jubiläen, Vereine, Veranstaltungen. Als Repräsentant der Stadt kann ich nicht bei jeder Gelegenheit so locker wie bisher agieren. Zudem macht es einen Unterschied, ob ich launig eine Kirmes oder neue Räume der Drogenhilfe eröffne. Ich möchte meinen eigenen Stil finden, authentisch für die Stadt zu sprechen und nicht zum Ableseautomaten vorgefertigter Reden mutieren. 

Josef Hinkel ist ein erfolgreicher Unternehmer. Mit 29 übernahm er in der vierten Generation die Führung der Bäckerei. Damals gab es 23 Mitarbeiter, heute sind es 95. Der Umsatz ist von einer Million auf sechs Millionen Euro gestiegen, an den beiden Standorten mit gleicher Verkaufsfläche. 40 Wiederverkäufer bieten seine Backwaren und Brote an. Mit Tochter Sophie übernimmt die 5. Generation das Unternehmen.

Sie sind ein Sympathieträger, gelten als talentierter Menschenfänger. Kann man das lernen?
(Er lacht) Weiß ich nicht, ich bin so. Schon zu Hause war ich als mittlerer unter sechs Geschwistern stets der Big Boss. Allerdings bin ich ein überzeugter Teamplayer – egal, ob in der Familie, im Job als Unternehmer, bei den Ehrenämtern und jetzt im Bürgermeister-Büro mit Referentin und Assistentin. Was zählt sind starke Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. 

Sie sagen von sich, dass Sie ohne Scheuklappen, aber mit Herz durchs Leben gehen. Warum sind Sie dann Politiker geworden?
Um was mit meinen Talenten – mit und für die Menschen in dieser Stadt – etwas zu bewirken.

Können Sie drei Ziele nennen, die Sie als Bürgermeister erreichen wollen?
Urbanität fördern – der Mittelstand muss stark bleiben und seinen Raum in dieser Stadt haben. Kleinteiligkeit fördern – denn das ist Düsseldorfs Trumpf. Das gilt für Wirtschaft und Handel, für die Kulturszene und das Brauchtum. Düsseldorf ist eine Zehn-Minuten-Metropole mitten in einem Ballungsgebiet. Wir sollten mehr überstädtisch denken, nicht jeder, der hier arbeitet, muss auch hier wohnen. Das heißt aber: Die Infrastruktur zwischen den umliegenden Städten muss zwingend verstärkt weiter entwickelt werden. 

„Düsseldorf wird die Stadt sein, die nach der Pandemie wieder als eine der ersten richtig boomen wird, davon bin ich überzeugt.“

Sie sind ein Kind der Altstadt, wollten Sie jemals woanders leben?
Nie. Hier bin ich geboren, im Hofgarten habe ich als Kind gespielt. Sozialisiert wurde ich in der Gemeinde der Max-Kirche. Dort war ich in meiner Freizeit, hatte eine Band, war Bassgitarrist und Sänger. Seitdem stehe ich mit großer Leidenschaft auf der Bühne. In der Max-Kirche haben meine Frau Nicole und ich auch vor 27 Jahren geheiratet, unsere fünf Kinder wurden dort getauft. Übrigens wollte ich nie was anderes als Bäcker werden und bin mit 16 in die Lehre gegangen. 

Kann man Brot immer wieder neu erfinden?
Na klar. Es gibt so unendlich viele Zutaten und Variationen. Wir probieren laufend neue Kreationen aus und erfinden dazu die passenden Namen. Das Brot mit Hanföl nennen wir Kifferkruste. Unser Schwarzbrot mit Lakritz-Sirup heißt Casanova, weil dieser Mann ein Meister im Süßholzraspeln war. 

Handwerk hat – wie man an Ihrem Beispiel sieht – goldenen Boden. Wie ist die Lage in der Gastronomie, im stationären Handel?
Düsseldorf wird die Stadt sein, die nach der Pandemie wieder als eine der ersten richtig boomen wird, davon bin ich überzeugt. Die Stadt ist von einer unglaublichen Vielfalt, hat aber ein kleines Manko: Sie ist zu klein, es gibt zu wenige freie Flächen für eine Bebauung. 

Sie gelten als modeaffin, haben als Karnevalsjeck der CC-Uniform einen zeitgemäßen Look verpasst, gehen Sie gern shoppen?
Ich gehe mit, wenn meine Frau mit mir einkauft. Und in der Tat lege ich Wert auf gutes Aussehen und mache mich gerne chic. 

Man kennt Sie als Hansdampf in allen Gassen, als super Netzwerker, wie halten sie sich fit?
Ich bin Frühaufsteher, beginne den Tag um 5.30 Uhr mit Tai Chi und Fahrrad fahren, lese dazu das Morgen-Brevier und zwar laut – das trainiert die Stimme – und mache mehrmals pro Woche Yoga und ich meditiere. Das macht den Kopf frei und ist die beste Technik gegen Grübelei. Mittagspause und Essen mit der Familie müssen sein und gerne zwischendrin ein Powernap.

Als Bäcker haben Sie den direkten Kontakt zu den Menschen gesucht, wo finden Sie ihn als Erster Bürgermeister?
Wir planen eine Art Bürgersprechstunde. Die Idee ist: Wir kaufen eine Bank, lassen Bürgermeister darauf schreiben, stellen sie ans Mannesmannufer und dann sitze ich einmal in der Woche dort eine Stunde mit einem Tässchen Kaffee und wer will, quatscht mit mir. •


About Josef hinkel 

  • He was born in Düsseldorf in 1959 

  • He served his apprenticeship in Munich, Garmisch-Partenkirchen, Rendsburg, Düsseldorf, then Master Baker exam in Hanover 

  • At the age of 29 he took over the “Bäckerei der Brotfreunde”, founded in 1891 by his great-grandfather

  • In 1991 he graduated in trade-specific Economics and Business Management and has been receiving numerous awards ever since such as: BGF Health Award, Entrepreneur Award Stadtsparkasse Düsseldorf

  • In 2008 he was Prince Karneval, in 2010 Vice President and from 2011 to 2015 President of the CC Comitee Düsseldorf Carneval, since 2017 Chairman Förderverein Düsseldorfer Karneval 

  • In 2018 he received the Federal Order of Merit for social engagement 

  • Since 2014 he has been ambassador for the Kinderhospiz Regenbogenland. He was Jonges- Vicebaas of the TG “Kinn-Ziet” and is involved in numerous honorary offices 

  • Josef Hinkel lives in the old town of the city, has been married for 27 years and is the father of five children. In his spare time, he enjoys cycling, hiking, skiing and yoga

  • Since November 2020, Hinkel has been deputy mayor under Lord Mayor Dr Stephan Keller, alongsidethe other two mayors Klaudia Zepuntke and Clara Gerlach

www.duesseldorf.de/rathaus/ob-bm.html

 

Words Dagmar Haas-Pilwat
Pictures Michael Lübke