Kunst trifft Oberbürgermeister Stephan Keller

Rund neun Monate ist Düsseldorfs Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller (CDU) im Amt. Bei einer gemeinsamen Rennrad-Tour sprach VIVID-Herausgeber Rainer Kunst mit ihm über einen ganz besonderen Amtsstart, zukünftige Verkehrs- und Wirtschaftspolitik, die Bedeutung von Tischtennis für Düsseldorfs Gesundheit und die Notwendigkeit einer 700-Millionen-Euro-Oper.

Wie hat die Corona-Pandemie Deinen Start als Oberbürgermeister beeinflusst?

Ganz unterschiedlich. Es hat natürlich viel weggenommen von dem, worauf ich mich sehr gefreut habe: Nämlich Menschen live zu treffen. Das, was zuvor im Wahlkampf noch möglich war, hätte ich gerne auch fortgesetzt. Weihnachtsmarkt, der Jahreswechsel, Karneval – das ist alles ausgefallen und das war sehr schade. Auf der anderen Seite hat diese Situation auch ein bisschen Platz im Kalender geschaffen, Corona hat mir sozusagen mehr Zeit für den inhaltlichen Einstieg gegeben. Ich hatte mehr Zeit, mich intensiv in Themen einzuarbeiten und viel mit meinen Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung zu sprechen. Die Aufgabe der Pandemiebewältigung war und ist zudem eine sehr große Herausforderung, also eine unglaublich intensive Zeit. 

Als ehemaliger Verkehrsdezernent der Stadt liegt Dir das Thema Verkehr besonders am Herzen. Statt auf die Umweltspur setzt Du auf intelligente Verkehrsführung durch Ampelsteuerung. Wie funktioniert das genau?

Mit der intelligenten Ampelsteuerung können wir den Verkehr so dosieren, dass wir sicher die Grenzwerte einhalten. Basis dafür sind die Messungen an den Luftmess-Stationen, die im Tagesverlauf erhoben werden. Dadurch können wir auch tagesaktuell nachsteuern, wenn das erforderlich sein sollte. Die Verkehrstechniker sind sich sicher, dass das effektiver ist und auch mehr Verkehrsfluss gewährleistet als dieses starre System der Umweltspur. Und wenn der Messwert es zulässt, können wir für den Verkehr eben auch ein bisschen mehr aufmachen. Das vermeidet dann zumindest Staus zu Zeiten, wo sie aufgrund des Verkehrsaufkommens wirklich unnötig sind. 

Ein weiterer Pfeiler Deiner Verkehrspolitik ist die Verbesserung der Situation für Radfahrer.

Wir wollen eine der fahrradfreundlichsten Großstädte in Deutschland werden und deshalb den Radwegebau beschleunigen. Auch darum wird sich das neugegründete Verkehrsdezernat kümmern. Und wir werden auch das Amt für Verkehrsmanagement nochmal neu aufstellen und entsprechend personell stärken. Als dritte Maßnahme werden wir die IPM GmbH, eine städtische Bautochter, damit beauftragen, an den großen Verkehrsachsen die Radwege aus einer Hand zu planen und zu bauen. So erhoffe ich mir, dass wir in den nächsten fünf Jahren viel mehr vom Radwegenetz verwirklichen können als zuvor. 


„Wir können aber die Rahmenbedingungen so verbessern, dass die Unternehmen schnell wieder Tritt fassen.“ 


Kommen wir zur Düsseldorfer Wirtschaft, die in den letzten Pandemie-Monaten teils stark gelitten hat. Was ist geplant seitens der Stadt, um die Unternehmen weiter zu unterstützen beim Weg aus der Krise?

Als Stadt können wir natürlich keine unmittelbaren direkten Finanzhilfen an Unternehmen geben, diese Aufgabe würde auch einen städtischen Haushalt völlig überfordern. Wir können aber die Rahmenbedingungen so verbessern, dass die Unternehmen schnell wieder Tritt fassen. Das sind zum einen kleinere Dinge wie beispielsweise die noch unbefristete Befreiung der Gastronomen von den Gebühren für die Außengas-tronomie. Dann sind wir im engen Austausch mit dem Einzelhandelsverband und der IHK, um zu schauen: Wie können wir die Innenstadt in der Nach-Corona-Zeit weiterentwickeln? Ansonsten stimmen wir uns ganz eng und regelmäßig mit den Wirtschaftsverbänden in Bezug auf die aktuelle Corona-Lage ab: Welche Wünsche haben die Kammern, was ist für den Einzelhandelsverband wichtig, wo sieht die Dehoga noch Probleme für Hotels und Gaststätten? Wir versuchen möglich zu machen, was möglich zu machen ist. Außerdem schauen wir, dass auch unsere Messe wieder an ihre Erfolge vor der Pandemie anknüpfen kann, denn die ist ein sehr wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt und – gemeinsam mit dem Flughafen – so etwas wie unser Tor zur Welt. Und natürlich ist auch die weitere Pandemiebekämpfung sehr relevant für die Düsseldorfer Wirtschaft – hier sind wir im Vergleich mit anderen Städten auch mit unserem Impfzentrum sehr gut aufgestellt.

Zur Düsseldorfer Wirtschaft gehört auch eine lebendige Start-up-Szene. Kürzlich erst wurde hier wieder die Start-up-Woche erfolgreich durchgeführt. Wie fördert die Stadt die lokale Szene weiterhin und was muss getan werden, um den Standort noch attraktiver für Gründer zu machen?

Wir haben vor kurzem eine Studie durchgeführt zu sogenannten Scale-ups. Das sind solche Start-ups, die schon eine Stufe weiter sind – die also schon erfolgreich gegründet haben und jetzt wachsen wollen. Und da ist sehr deutlich geworden, dass wir noch stark an der Vernetzung arbeiten müssen in der Stadt. Die Mitarbeiter dieser Scale-ups wünschen sich, dass wir Treffpunkte oder Foren schaffen, wo sie sich untereinander austauschen können und wo man diese Gründerszene mit der Old Economy, also mit dem klassischen Mittelstand und mit den Industriebetrieben hier in Düsseldorf, stärker zusammenbringt. Als Stadtverwaltung können wir zwar kein Venture Capital bereitstellen, aber wir können an einem entsprechenden Ökosystem für Start-ups und Scale-ups arbeiten und das Rahmenprogramm für junge und kreative Menschen mit Unternehmergeist noch ein bisschen attraktiver machen. 

Speziell um den Zusammenhang von Wirtschaft und Gesundheit geht es ja in dieser VIVID-Ausgabe. Was tut die Stadt in diesem Punkt für ihre Bürgerinnen und Bürger?

Wir haben hier ein unglaublich aktives Sportvereinsleben mit einem riesigen Angebot. Und wir haben wahnsinnig viele Möglichkeiten, auch im öffentlichen Raum Sport zu treiben. Gerade erst zum Beispiel hat der Tischtennis-Bundesligist Borussia Düsseldorf eine tolle Aktion ins Leben gerufen, die ich als Schirmherr unterstütze: „Düsseldorf spielt Tischtennis. Für Düsseldorf.“ Dafür wurden rund 650 Tischtennisplatten in Parks und auf Spielplätzen in Düsseldorf mit einem QR-Code versehen, über den sich Menschen per App zum gemeinsamen Spielen verabreden können. Je mehr dabei mitmachen, desto mehr Sponsorengeld fließt in das Projekt, mit dem wiederum sogenannte Bewegungsboxen für Schulen und soziale Einrichtungen finanziert werden. Das ist ein gutes Beispiel für einen schönen Sport, mit dem die Menschen etwas für ihre Gesundheit tun können – und der sich obendrein auch Corona-konform ausüben lässt. Und unser beliebtes Programm „Sport im Park“ ist auch wieder gestartet.

Ein wichtiger Pfeiler der Düsseldorfer Gesundheitswirtschaft sind die LifeSciences, insbesondere BioTech. Wir haben hier etwa das LifeScience Center und ansässige Verbände wie BioRiver. Was wird in Zukunft noch getan, um diesen so wichtigen Transfer von Wissenschaft und Wirtschaft zu stärken?

Hier gilt Ähnliches wie bei den Start-ups: Wir versuchen einfach gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Indem wir zum Beispiel Räume vorhalten, in denen auch junge Unternehmen in diesem Bereich arbeiten können.  Und indem wir versuchen, Forschung in Düsseldorf zu unterstützen. Was viele Düsseldorfer und Düsseldorferinnen zum Beispiel nicht wissen: Wir haben mit dem Max-Planck-Institut für Eisenforschung hier ein absolutes Spitzeninstitut, also Grundlagenforschung auf Weltniveau. Als Stadtverwaltung müssen wir dafür sorgen, dass die Mitarbeitenden in solchen Einrichtungen in Düsseldorf gut arbeiten können. Das heißt, sie brauchen gegebenenfalls Expansionsfläche oder zumindest Rahmenbedingungen, um ihren Betrieb aufrechterhalten zu können. Da tun wir Einiges, um das möglich zu machen und eine Balance bezüglich Wirtschaftsflächen und Wohnbebauung zu schaffen.

Den Rhein entlang Richtung Rathaus: Rainer Kunst und Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller per Rennrad auf dem Volmerswerther Deich.

Du hast eben schön dargestellt, wie der Sport unsere Stadt so lebenswert macht. Das trifft auch auf die Kultur zu. Als ein Leuchtturmprojekt für die Zukunft siehst Du hier die Oper, deren Neubau rund 700 Millionen Euro kosten würde. Warum glaubst Du, dass sich eine solche Mega-Investition lohnen würde?

Wir müssen uns gerade in der Nach-Corona-Zeit die Frage stellen: Was macht eine Stadt noch attraktiv? Womit können wir ein Publikum anziehen, das wir gerne in Düsseldorf hätten? Wie kann eine Innenstadt belebt werden? Und da ist eine gut aufgestellte Oper mit Sicherheit ein wichtiger Punkt, um kulturelle Strahlkraft auszuüben. Und wir können eine wahrscheinlich so schnell nicht wiederkehrende Chance nutzen, auch nochmal ein architektonisches Highlight zu setzen. Deswegen bin ich auch dafür, dass wir das mit einem Neubau versuchen und nicht mit einer Sanierung des alten Opernhauses, die rund 460 Millionen Euro kosten würde. Wenn sich eine Stadt entschließt, so viel Geld auszugeben, muss es darüber auch einen breiten Diskurs geben. Deswegen haben wir jetzt einen Bürgerdialog angestoßen und ich freue mich über möglichst viele Menschen, die sich daran beteiligen.

Ist eigentlich gedacht, dass sich das Opernhaus dann auch für andere Themen öffnet? Und wo genau sollte ein Neubau entstehen?

Wir stellen das Label „Oper für alle“ in den Vordergrund. Wir brauchen tatsächlich eine Oper, die jetzt nicht nur das Opernspezifische Publikum anspricht, sondern ein Haus, das für breite Schichten der Gesellschaft attraktive Angebote macht. Das auch nicht nur offen steht, wenn abends eine Vorstellung stattfindet, sondern tagsüber Kulturvermittlung, kulturelle Bildung oder auch Gastronomie anbietet – und somit zum „Place to be“ in Düsseldorf wird.

Was den Standort eines Neubaus angeht, bin ich wirklich offen. Ich wäre nur sehr dafür, dass es in der zentralen Innenstadt ist. Wenn die Oper diese Funktion haben soll, auch Menschen in die Stadt zu bringen, dann sollte man sie zum Beispiel nicht im Hafen bauen. Eine optimale Anbindung muss gegeben sein – so, dass man sie super mit dem Fahrrad und ÖPNV erreichen kann. Damit bleibt eigentlich nur die Innenstadt mit drei möglichen Standorten: Wehrhahn, Rheinpark oder der alte Standort am Hofgarten. Im letzteren Fall würde man das alte Gebäude abreißen und am selben Standort das neue Gebäude errichten, währenddessen würde es eine Interims-Spielstätte geben

Apropos Flächennutzung. Düsseldorf wächst auch in den nächsten Jahren weiter stark an Einwohnern, gleichzeitig ist die Stadtfläche sehr begrenzt. Wie kriegt man unter diesen Voraussetzungen zukünftig einen guten Mix aus Wohnen, Arbeiten sowie Freizeit- und Grünflächen hin?

Das ist gar nicht so einfach. Wir freuen uns natürlich darüber, dass Düsseldorf wächst, dass wir uns noch dynamisch entwickeln, aber wir merken schon, dass die Stadt auch an Grenzen stößt. Fläche ist insbesondere in Düsseldorf sehr knapp. Deshalb müssen wir Nachverdichtungspotenziale heben, um Wohnungsbau voranzutreiben. Wir müssen gleichzeitig schauen, dass wertvolle Freiflächen für den Klimaschutz und die Naherholung erhalten bleiben. Gerade in dörflich geprägten Stadtteilen wie zum Beispiel Volmerswerth oder Hamm müssen wir darauf achten, dass diese Struktur auch so bleibt und kein Stück Heimat verloren geht. 

Du sprichst den Klimaschutz an. Der ist nach Corona eine ja noch viel größere Herausforderung für uns alle. Was sind Deine Pläne, um Düsseldorf klimaneutral zu machen?

In der Kooperationsvereinbarung findet sich bereits einiges, das wir in den nächsten fünf Jahren umsetzen wollen. Bereits in diesem Jahr haben wir 60 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen. Das reicht von der Installation von Elektrosäulen und Solardächern bis hin zur energetischen Gebäudesanierung. Wir werden sowohl unsere eigenen städtischen Liegenschaften sanieren als auch Förderprogramme für Bürgerinnen und Unternehmer dafür aufsetzen. Insgesamt werden wir den Anteil der erneuerbaren Energien in der Stadt steigern. Wir wollen Elektromobilität fördern und Wasserstoff ausbauen – letzteres beispielsweise dadurch, dass die Rheinbahn Wasserstoff-Busse anschafft. Darüber hinaus gründen wir mit dem Handwerk gemeinsam eine Umweltakademie als eine Talent- und Ideenschmiede, um diesen Prozess der Umrüstung noch zu beschleunigen.

Kurz und knackig: Was sind Deine wichtigsten persönlichen Ziele für die nächsten fünf Jahre?

Ich will die Stadt weiterentwickeln, sie zu einem sichereren Ort machen und beim Radwege-Ausbau vorankommen. Und nach fünf Jahren will ich sagen können: Düsseldorf ist ein besserer Ort als vorher.


About dr. Stephan Keller

  • since 01.11.2020 Lord Mayor of the State Capital Düsseldorf

  • 01/2017 – 10/2020 City Director of the City of Cologne

  • 01/2011 – 12/2016 Councillor for Law, Order and Traffic of the State Capital Düsseldorf

  • 01/2006 – 12/2010 Councillor for Urban Development, Environment and Municipal Economy at the Association of Towns and Municipalities of North Rhine-Westphalia, Düsseldorf

  • 09/2000 – 12/2005 Head of the Office of the Chief Executive at the German Association of Cities and Towns, Cologne

Training and further education

  • 2010 Doctorate (Dr. jur.), Ruhr University Bochum

  • 12/1996 Master of Laws, Birmingham University (UK)

  • 11/1990 – 01/1995 LL.M. studies, Birmingham University (UK)

  • 11/1990 – 01/1995 Law studies, University of Bayreuth

Dr. Stephan Keller lives with his wife and three children in Düsseldorf.

 

Words: Tom Corrinth
Pictures: Frank Beer