Home Is at The Brewery

 

Altbier ist in Düsseldorf Familiensache. Die Hausbrauereien stehen für die große Biertradition der Landeshauptstadt. Seit 1838 wird Schumacher Alt getrunken – im Karneval, nach Feierabend und zwischendurch. Ein Gespräch mit Chefin Thea Ungermann über die aktuellen Herausforderungen, mit denen die Gastronomie zu kämpfen hat, über Familie und Führungsstil, über Heimat und das Leben als Gastwirtin. 


 

Haben Sie sich jemals etwas anderes als ein Leben in der Gastronomie vorstellen können?

Nein. Schon als Kind stand ich auf meinem eigenen Tritthocker, im Kittel und mit Schürze hinterm Buffet. Mit meiner Großmutter – sie hat im ersten Stock gewohnt, wo heute unsere Stuben sind –habe ich Frikadellenmasse geknetet und Muscheln gekocht: Nicht für mich, für die Gäste. An der Oststraße bin ich groß geworden, hier war mein Spielplatz mit Sandkasten und Schaukel. 

„Schon als Kind stand ich auf meinem eigenen Tritthocker,
im Kittel und mit Schürze hinterm Buffet.“

Was fasziniert Sie an der Gastronomie?

Sie ist mein Leben. Das Spannende ist die Vielfalt. Ich bin Gastgeberin, Wirtin, Unternehmerin. Kein Tag ist wie der andere. Es gibt immer Überraschungen, mit denen man konfrontiert wird. Auf der Oststrasse ist unser Stammhaus, hier wird gebraut und ist aber auch ein Gasthaus mit zahlreichen Veranstaltungen. Zudem gehört das Brauhaus „Im Goldenen Kessel“ im Herzen der Altstadt zu Schumacher. Da ist Flexibilität gefragt. Wenn ich morgens anfange zu arbeiten, habe ich zwar einen Plan, was ich am Tag schaffen möchte, aber häufig kommt dann doch alles ganz anders – und der Tag hat sowieso nie genug Stunden. Außerdem gilt stets unser Motto „Mit Freude Freude schenken“, denn das Schönste sind zufriedene Gäste. Das macht Spaß, weniger die rasant zunehmende Bürokratie mit all den Verordnungen und Vorschriften.

Thea Ungermann, Managing Director Schuhmacher Altbier Manufaktur

Die vergangenen mehr als zwei Pandemie-Jahre waren kein Zuckerschlecken. Wie sehr haben Corona-Folgen und der Ukraine-Krieg das Geschäft verändert?

Lockdown, Kurzarbeit, Personalmangel, Inflation – die Situation war und ist hart. Die Sorgen und Nöte sind erdrückend – die Preise steigen und wir wissen nicht, was im Herbst kommt. Wo ist unsere Perspektive? Ein Bündel an Restriktionen ist schon wieder geplant. Energiesparen, Gasmangellage, Worst-Case-Strategien stehen im Raum, dabei sind wir immer noch in der Erholungsphase.  

Was erwarten Sie von der Politik?

Die Gastronomie darf nicht erneut die Leidtragende sein. Zwei Jahre lang sind wir ans Limit gestoßen, haben unsere Restaurants, das Brauhaus und unsere Mitarbeiter laufend neu justiert – je nach Corona-Verordnung. Aber falls es im Herbst kein Gas gibt – dann ist auch kein Gas mehr auf dem Geschäft. Denn wenn wir kein Bier mehr brauen, trifft es uns, die Lieferanten und unsere Gäste. Das heißt, die komplette Wertschöpfungskette reißt. Und: Falls wir wieder betroffen sind, bekommen wir nie wieder neue Mitarbeiter, die Unsicherheit in der Branche verschreckt – und damit würde auch ein Stück Düsseldorfer Kulturgut verschwinden. 

Haben Sie schlaflose Nächte?

Schon ab und an. Denn leider gibt es nicht die Wahl zwischen Lösung a, b oder c. Wir haben gar keine. Auf der einen Seite verstehe ich, dass wir Gastronomen nicht systemrelevant sind wie beispielsweise die Bäcker. Anderseits finde ich es nicht gesund und sozialpolitisch sehr bedenklich, den Menschen das gesellige Beisammensein zu nehmen. Die De-Sozialisierung trifft jeden einzelnen. Denn die Menschen wollen ausgehen, sich treffen, sie lechzen danach. Sie wünschen sich Freiheit und nicht länger bestimmt zu werden. 

Sie haben die Pandemiezeit für Sanierungsarbeiten genutzt. Was ist neu?

Im Goldenen Kessel wurden die Lüftungstechnik und die Theke erneuert. An der Oststraße konnten wir in der Zeit ohne Gäste den Boden im Innenhof neu machen. Im Brauhaus selbst haben wir den alten großen Dampfkessel-Erzeuger durch drei kleinere ersetzt, um so bei der Produktion auf die jeweils aktuelle Nachfrage optimaler reagieren zu können. 

Ohne Gas, mit dem die Dampfgeneratoren betrieben werden, können Sie kein Bier brauen, oder? 

Stimmt. Insbesondere für das Maischen und Würzekochen, sowie zum Reinigen von Fässern und Mehrwegflaschen benötigen wir in unserer Manufaktur große Mengen Dampf. Deshalb blicken wir ja mit Sorge auf die Energieversorgung und die stark steigenden Gaspreise. Die Frage ist auch, ob wir bei einer möglichen Rationierung überhaupt noch Gas bekommen. Deshalb hatten wir ursprünglich den Plan, einen der Dampfkessel auf Strom umzurüsten. Das lässt sich jedoch nicht realisieren, da der Betrieb mitten in der Stadt liegt. Wenn wir einen Kessel mit Strom beschicken, hätten Teile der Oststraße keinen Strom.

Was hat sich während Corona geändert?

Die Krise war Ansporn und hat ungeahnt die Kreativität beflügelt.  Ich habe unser Unternehmen horizontal und vertikal neu aufgestellt. Der Lieferdienst ist eine der Ideen, neu ist der Drive-in. Gerade vor dem Wochenende ist das Bedürfnis groß, sich für einen kleinen Moment „Brauhaus-Feeling“ nach Hause zu holen. 

BARRELS AND BOTTLES

Bei Schumacher wird das Altbier seit jeher handwerklich gebraut. 2013 zum 175-jährigen Bestehen kam das Jubiläumsaltbier 1838er auf den Markt. Es wird mit dem amerikanischen Aroma-Hopfen Cascade mit Zitrus-Charakter und dem australischen Hopfen Galaxy für beerige Aromen mit Kalthopfung gebraut. Das 1838er hat ein fruchtig-prickelndes Hopfenaroma. Die Ein-Liter-Altbierflasche mit Bügelverschluss ist Kult. Für den kleinen Durst feierte 2019 die 0,33-l-Mehrwegflasche Schumacher Alt mit Bügelverschluss Premiere. Mit neuem hauseigenem Logo, Düsseldorfer Wappen und im handlichen Format wird sie auch im 20er-Kasten angeboten. 

Wie sehen ihre Planungen aus?

Ich habe keine. Das Schlimmste ist die Nicht-Planbarkeit. Ich weiß heute nicht, was nächste Woche ist. Klar ist nur, wir sind flexibel und spontan – und wir wollen uns nicht unterkriegen lassen. Das hat meine Großmutter Thea schon im Krieg nicht mit sich machen lassen und meine Mutter in Jahren der Wirtschaftskrisen auch nicht. Also Ärmel hochkrempeln, Krönchen richten und weitermachen – am liebsten mit Vollgas und aus vollem Herzen. 

Sie nennen sich Manufaktur. Was ist der Unterschied zu einer Brauerei?

Jeder Liter Schumacher Alt wird im Stammhaus gebraut, vergoren, gelagert und filtriert. Von der Malzabnahme bis zur Abfüllung läuft alles an der Oststraße. Alles ist handgemacht. Wir haben hohe Ansprüche an die Qualität im Brauhaus und in der Küche. Dort wird alles – ob Gemüse oder Salat – frisch gekauft, von Hand verlesen und zubereitet. Die Kartoffeln kommen vom Bauer in Kleinenbroich, werden hier geschält und gekocht. Die Mayonnaise ist frisch geschlagen und für die Schnitzel-Panade raspeln wir Brötchen. Wir haben eine eigene Wäscherei. Um die Tisch-Dekorationen bei Events und in den Gasträumen kümmern sich meine Mutter und ich. 

Wie ist überhaupt die Aufgabenverteilung im Familienunternehmen?

Mein Vater Wolfgang ist verantwortlich für den Fuhrpark und Wirte. Wir beliefern ja auch andere Gastronomen, schenken unser Bier in der Arena aus, seit 2022 zusätzlich zu den Fußballspielen bei allen Konzerten. Meine Mutter ist die Finanzchefin. Ich bin für Vertrieb, Marketing, Umbauten und den Einkauf verantwortlich. Bei Personalangelegenheiten arbeiten wir Hand in Hand. Um die Gästebetreuung kümmern wir uns gemeinschaftlich und das mit großer Leidenschaft. Meine Schwester Flocke (Gertrud) ist Ärztin und stellvertretende Leiterin der Notaufnahme am Evangelischen Krankenhaus. Seit 2019 ist sie unsere Social-Media-Expertin, macht den Insta-Account und ist natürlich im Familienrat mit dabei. 

Wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?  

Streng, aber gerecht. Hart, aber herzlich. Einerseits musste ich zeigen, was ich kann und mir den Respekt erarbeiten bei den Angestellten und Köbessen, die mich schon als Kind kannten. Andererseits kann jeder mit seinen Sorgen zu mir kommen, gemeinsam finden wir eine Lösung.

„Ich hab Karneval im Blut und Konfetti im Kopf.”

Sie sagen Brauhaus und Altbier sind ein Düsseldorfer Kulturgut, gehören zur Stadt wie Kirmes und Karneval. Ist das für Sie Heimat?

Ja unbedingt. Mein Vater ist aktiv im Schützenverein, ich habe ihn immer gerne begleitet. Bis 2019 waren wir mit unserer Scheune viele Jahre auf der Kirmes. Ich hab´ Karneval im Blut und Konfetti im Kopf. In einem großen, großen Schrank hängen unglaublich viele Kostüme – alle ordentlich in Kleidersäcken verpackt und nach Farben sortiert. Ich freue mich riesig auf die kommende Session – hoffentlich diesmal wieder ohne Auflagen. 

Ungeachtet aller Unwägbarkeiten in diesen Zeiten wirken Sie zuversichtlich. Wie schaffen Sie das?

Nicht hängen lassen, hilft. Ich bin ein positiver und optimistischer Mensch, der die rheinischen Grundgesetze beherzigt: Et kütt wie et kütt und et hätt noch immer jot jejange. •

www.schumacher-alt.de


about Thea Ungermann

Thea Ungermann steht seit 2013 in der sechsten Generation an der Spitze der Schumacher Altbier-Manufaktur.. Gemeinsam mit ihrer Mutter, Gertrud Schnitzler-Ungermann, ist sie die Chefin von rund 130 Menschen (vor der Pandemie waren es 177), die im Stammhaus an der Oststraße und „Im Goldenen Kessel“ in der Altstadt arbeiten. Die 40-jährige Geschäftsführerin der 1838 in der Carlstadt gegründeten und damit ältesten Familien-Hausbrauerei Düsseldorfs, hat nach dem Abitur am Görres-Gymnasium eine Ausbildung zur Hotelfachfrau im Deidesheimer Hof in der Pfalz gemacht. Anschließend hat sie unter anderem in der Sansibar und im Restaurant Jörg Müller auf Sylt gearbeitet, bevor sie 2005 nach Hause zurückkehrte und ins Familienunternehmen einstieg. Das Schumacher ist eine „Weiber-Wirtschaft“ – mehr als 50 Jahre wird sie bisher von Frauen geleitet. 


Words Dagmar Haas-Pilwat 
Pictures  Schumacher Altbier-Manufaktur