Smart ideas for better healthcare

Die Digitalisierung schafft Raum für viele neue Geschäftsmodelle – auch im Gesundheitswesen: ein digitaler Hautarzt, KI für die Intensivstation oder Phantomschmerzen mit dem Tablet bekämpfen – wir stellen euch drei coole Start-ups aus dem Gesundheitsbereich vor.

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Im Jahr 2020 wurden mehr Start-ups im Bereich Digital Health gegründet als je zuvor: Das ist eine Erkenntnis von vielen der „Digital Health Start-up-Umfrage für NRW“, die der digihub Düsseldorf/Rheinland in Zusammenarbeit mit der AOK Rheinland/Hamburg unter der Schirmherrschaft von NRW´s Wirtschafts- und Digitalminister Andreas Pinkwart im August 2020 durchführte. Schätzungsweise 70 bis 80 Digital-Health-Startups in NRW gab es zu diesem Zeitpunkt, 35 haben an der Umfrage teilgenommen, davon allein 11 aus Düsseldorf. Die Umfrage zeigt unter anderem auch: Häufig gehen Start-ups aus Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen hervor – sie sorgen also dafür, dass neue wissenschaftliche Erkenntnisse schneller eine praktische Anwendung finden. Drei davon haben das bereits erfolgreich geschafft: Dermanostic, Routine Health und Clinomic.

 


Digital Dermatologist – dermanostic, treatment via app

 

Wer eine Hautveränderung bemerkt, ist schnell beunruhigt. Doch einen Termin beim Hautarzt zu bekommen, kann unter Umständen viele Wochen dauern. Wie kann man diesen Zustand verbessern? Die vier Dermatologen Alice und Ole Martin sowie Estefanía und Patrick Lang haben zu diesem Zweck die App „dermanostic“ ins Leben gerufen – eine Art digitale Hautarztpraxis, rund um die Uhr geöffnet. Das Prinzip ist ganz einfach: Man lädt drei Fotos der betroffenen Hautstelle aus verschiedenen Blickwinkeln hoch, beantwortet einen kurzen Fragebogen und erhält innerhalb von 24 Stunden eine Diagnose, inklusive verständlich formuliertem Arztbrief und – bei Bedarf – Rezept. Mitten in der ersten Corona-Welle ging das junge Düsseldorfer Unternehmen an den Start – mit einem Produkt, wie gemacht für die Herausforderungen der Pandemie. „Wir wurden vorher oft per WhatsApp angeschrieben“, erklärt Dr. Estefanía Lang. „Freunde schickten Fotos von ihrer Haut und fragten, ob wir helfen könnten. So sind wir auf die Idee mit der App gekommen. Seit April 2020 haben wir mit dermanostic schon mehr als 11.000 Patientinnen und Patienten behandelt.“ Anerkennung gab es bereits in Form zahlreicher Awards, u.a. beim Wettbewerb NRW – Wirtschaft im Wandel oder der Entscheiderfabrik im Rahmen der Medica. 25 Euro kostet der Service aktuell pro Behandlung, doch das dermanostic-Team arbeitet bereits daran, dass die Leistung in Zukunft auch von gesetzlichen Krankenversicherungen übernommen wird. Schließlich brauchen mehr als 90 Prozent der Patient:innen im Anschluss keinen „echten“ Termin beim Hautarzt mehr. •

Das dermanostic-Gründerteam (v. l.): Dr. Ole Martin, Dr. Alice Martin, Dr. Estefanía Lang und Patrick Lang. 

Das dermanostic-Gründerteam (v. l.): Dr. Ole Martin, Dr. Alice Martin, Dr. Estefanía Lang und Patrick Lang. 

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dermanostic GmbH 
Merowingerplatz 1 
40225 Düsseldorf

www.dermanostic.com




fighting phantom pain with routine

Das Eigentraining nach einer Amputation oder bei chronischen Schmerzen der Hand unterhaltsam, motivierend, digital und mobil zu gestalten – das ist das Ziel von Ilja Michaelis und seinem Team von Routine Health. Was im Jahr 2013 als Forschungsprojekt begann, ist heute zu einem anerkannten Medizinprodukt geworden. Mit der Routine Gesundheits-App hat das Düsseldorfer Start-up einen individuell abgestimmten, digitalen Therapiebegleiter geschaffen, den die Patient:innen überall auf dem Tablet dabei haben können. Denn die Behandlung, beispielsweise nach einer Amputation, ist mit Ende der Reha längst nicht abgeschlossen. „Mehr als 70 Prozent aller Amputations-Patienten leiden an chronischen Phantomschmerzen“, sagt Routine-Gründer Ilja. „Die entstehen, weil das Gehirn nicht verarbeiten kann, dass ein Teil des Körpers fehlt. Mit unserer Routine-App führen wir ein Gehirntraining durch, welches zur Reduktion von Phantomschmerzen führt.“ Die App setzt da an, wo die Reha aufhört: Mit abwechslungsreichen Übungen und Motivationselementen schafft sie eine neue Routine im Leben der Patient:innen. Berufsgenossenschaften erstatten die Kosten für ihre Patient:innen bereits auf Empfehlung. Im nächsten Schritt soll die App als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zugelassen werden, sodass auch Krankenkassen die Kosten übernehmen. Und ein neues Forschungsprojekt steht an: In einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt arbeiten Ilja und sein Team daran, die Technologie in naher Zukunft auch für VR-Brillen nutzbar zu machen. •

Routine-Gründer Ilja Michaelis und Peer Coach Dr. Thomas Frey, der seit 1986 mit einer Beinamputation lebt. 

Routine-Gründer Ilja Michaelis und Peer Coach Dr. Thomas Frey, der seit 1986 mit einer Beinamputation lebt. 

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Routine Health GmbH
Graf-Adolf-Straße 69
40210 Düsseldorf

www.routine.health





Clinomic develops ‘Alexa with a PhD’

Wie gelingt eine moderne und evidenzbasierte Intensivmedizin, in der trotzdem genügend Zeit für die Patient:innen bleibt? Die Antwort heißt Mona, das intelligente Assistenzsystem für die Intensivstation. Mit ihrer Künstlichen Intelligenz revolutionieren die Intensivmediziner Arne Peine und Lukas Martin den Alltag auf Intensivstationen: weg vom Bildschirm, weg von Daten und Dokumentation, hin zu den Patient:innen. Anfang 2019 gründeten sie dafür das Start-up Clinomic, nur ein Jahr später gingen sie mit Mona an den Start. „Mona ist wie Alexa, nur mit Doktortitel“, sagt Arne Peine. „Das Assistenzsystem befindet sich direkt am Intensivbett und ist mit allem ausgestattet, was wir uns als Intensivmediziner immer gewünscht haben: acht Mikrofone, eine 180-Grad-Kamera, 5G-Standard, Sprachsteuerung und vieles mehr.“ Mona bündelt nicht nur Daten und stellt sie auf Zuruf bereit; sie macht auch Sprachdokumentation möglich und schaltet bei Bedarf Expert:innen aus anderen Kliniken ganz einfach per Telemedizin zu. Deshalb ist das System nicht nur für große Kliniken interessant, sondern vor allem auch für kleine Krankenhäuser in entlegenen Regionen; z. B. auf Madeira, auf den Azoren oder in Teilen Griechenlands. Sogar Kreuzfahrtbetreiber hätten schon Interesse bekundet, berichtet Arne Peine: „Wir sind regelrecht überrannt worden von der Nachfrage – natürlich auch durch die Corona-Pandemie.“ Mit sechs Personen ging das Aachener Start-up vor knapp zweieinhalb Jahren an den Start – heute zählt Clinomic fast 50 Mitarbeitende. Tendenz steigend. •

Die Intensivmediziner Dr. Arne Peine und Dr. Lukas Martin (v. l.) haben Clinomic gegründet. 

Die Intensivmediziner Dr. Arne Peine und Dr. Lukas Martin (v. l.) haben Clinomic gegründet. 

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Clinomic GmbH
Bachstr. 22
52066 Aachen

www.clinomic.ai


Words: Maria Leipold
Pictures: iStock, Patrycia Lukas, Illustration: dermanostic, Routine Health GmbH, Clinomic GmbH