"I AM CURRENTLY SEEING A POSITIVE CHANGE”
KUNST MEETS JOHANNA TJADEN-SCHULTE
Nach über zwei Jahrzehnten Karriere bei einer internationalen Großbank wechselte Johanna Tjaden-Schulte im Oktober 2024 zur NRW.BANK. Als Vorständin der Förderbank will sie nun Innovation und Transformation in NRW voranbringen. Mit VIVID-Herausgeber Rainer Kunst spricht sie unter anderem über ihre konkreten Pläne, die grüne Transformation als Riesenchance für NRW und Work-Life-Balance als Top-Führungskraft.
Vor deiner aktuellen Position als Vorständin der NRW. BANK warst du 26 Jahre für die Commerzbank tätig. Was nimmst du mit aus dieser langen Zeit?
Ich nehme vor allem eine sehr hochwertige Ausbildung mit. Durch die Konzernstruktur bei der Commerzbank hatte ich die Möglichkeit, alle zwei, drei Jahre wieder einen neuen Bereich kennenzulernen und mich weiterzuentwickeln. Deswegen durfte ich sehr viel lernen, sehen, erfahren – und das hat mich geprägt. Sodass ich heute sagen kann: Ich bin für meine verantwortungsvolle Aufgabe als Vorständin bestens vorbereitet.
Was sind die größten Unterschiede zwischen einer internationalen Großbank und der NRW.BANK als Förderbank?
Ein großer Unterschied ist die Eigentümerstruktur. Bei einer großen Geschäftsbank als DAX-Konzern gibt es eine eher anonyme Aktionärstruktur und einen klaren Shareholder-Value- Ansatz in Bezug auf den Aktienkurs. Eigentümer der NRW.BANK ist dagegen das Land NRW. Wir fragen gemeinsam mit unserem Auftraggeber: Was ist gut für das Land? Welche Rolle kann die NRW.BANK dabei einnehmen? Auch die Geschäftsmodelle unterschieden sich stark: Während bei einer Geschäftsbank im Grunde alles von der Geldanlage über den Zahlungsverkehr bis hin zum Kreditwesen angeboten wird, sind wir als Förderbank explizit auf Förderung ausgerichtet – beispielsweise in Form von Eigenkapitalfinanzierung, Fremdkapitalfinanzierung und Zuschüssen. Und es geht um Beratung und das Vernetzen von relevanten Akteur:innen. Wir haben Zugang zu allen Marktteilnehmenden: Hochschulen, Gründer:innen, mittelständische Unternehmen, Kommunen, Investor:innen und auch Privatpersonen, wenn es etwa um die Förderung von Wohnungsbau geht. Unsere DNA ist: Wir bringen alle Akteur:innen zusammen, weil daraus Neues entsteht.
Welche Schwerpunkte möchtest du als Vorständin setzen?
Mein Dezernat hat den Fokus auf Vertrieb und Förderstrategie. Wir konzentrieren uns auf Transformation und Innovation – also die Themen, die die Welt, Deutschland und auch NRW massiv bewegen im Moment. Dabei denken wir Förderung sehr strategisch: Statt überall ein bisschen Transformation zu ermöglichen, setzen wir klare Schwerpunkte entlang von Wertschöpfungsketten und Ökosystemen. So schaffen wir maximale Wirkung mit jedem Fördereuro – zum Beispiel beim Ziel grüner, günstiger Energie. Dafür finanzieren wir nicht nur Windräder, sondern betrachten das gesamte System: Netze, Speicher, Infrastruktur. Da wir den Anspruch haben, die Dinge auch richtig zu verstehen, müssen wir außerdem nah dran und im Dialog sein mit den Beteiligten. Nur dann können wir Transformation optimal fördern.
Wie würdet ihr bei der NRW.BANK Erfolg definieren?
Erfolg ist die maximale Wirksamkeit für die Ziele in unserem Land. Wenn NRW also die erste klimaneutrale Industrieregion Europas werden will, dann müssen wir als NRW.BANK mit unseren Aktivitäten auf dieses Ziel einzahlen. Den Erfolg messen wir dabei nicht primär in Erträgen, sondern in bestimmten Wirkungsparametern – zum Beispiel mehr Produktivität in NRW, mehr Förderung von Häusern und Wohnungen, etc. Wir haben also sehr inhaltliche Ziele, wobei der quantitative Teil in einer Bank natürlich auch nicht fehlen darf.
Die globalen Herausforderungen sind riesig. Im Vergleich mit Europa investieren die USA gefühlt viel mehr Eigenkapitel in Innovationen. Wie können wir uns hier vielleicht anders positionieren und behaupten?
Ich erlebe gerade einen positiven Umbruch: Es entsteht ein neues Miteinander – von Europa über Deutschland bis nach NRW. Der größte Hebel liegt meiner Meinung nach darin, dass sich Akteur:innen stärker zusammenschließen, denn allein wird es keiner schaffen. Gerade in Wachstumsphasen fehlt es hierzulande an Eigenkapitalfinanzierung, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass technologische Innovationen und Kapital zum Beispiel in die USA abgewandert sind. Heute haben wir die Chance, nicht nur zu finanzieren, sondern Technologien auch bei uns zu halten. NRW hat das Know-how, exzellente Unis, starke Cluster. Wir sind besser aufgestellt als viele andere – und das müssen wir jetzt nutzen und in die Umsetzung kommen!
Wenn ich mir die Bundespolitik anschaue, habe ich das Gefühl, das Thema Nachhaltigkeit rutscht ein bisschen in den Hintergrund, während es in NRW eher in den Vordergrund tritt. Täuscht das?
Nein, das nehme ich auch so wahr. Bei der NRW. BANK sind wir total davon überzeugt, dass wir einen absoluten Wettbewerbsvorteil generieren, wenn wir es schaffen, in die nachhaltigen Geschäftsmodelle zu investieren. Denn da steckt riesiges Potenzial drin und das hat der Mittelstand, auf den wir uns konzentrieren, auch größtenteils erkannt. Seit zwei Wochen (Mitte Mai 2025, Anmerkung der Redaktion) sind wir mit unserem Programm NRW.BANK Invest Zukunft live auf dem Markt und erleben einen wahnsinnigen Run darauf. Dieses Förderprogramm verbindet die Megathemen Klima, Digitalisierung und Innovation und ist leicht und unbürokratisch zugänglich. Ich freue mich sehr über die große Nachfrage und auf die Vorteile, die sich für die heimische Wirtschaft daraus ergeben können.
Viele kleine und mittelständische Unternehmen kämpfen damit, passende Nachfolger:innen zu finden. Wie helft ihr in diesem Punkt weiter?
Über Eigenkapitalfinanzierung gehen wir zum Beispiel auch bei Management-Buyout-Lösungen mit unserer Förderung rein. Das heißt, das Thema liegt uns sehr am Herzen. Bei Veranstaltungen mit Hausbanken werben wir auch dafür. Denn wenn wir zukunftsfähig in NRW bleiben wollen, müssen wir diese mittelständische Struktur mit ihren vielen Arbeitsplätzen und einem hohen Innovationspotenzial stärken.
ABOUT JOHANNA TJADEN-SCHULTE
• Since 2024: Member of the Board of Management of NRW.BANK, responsible for:
- Transformation and Innovation
- Grant funding - Equity financing
- Funding advice & customer service
• 1998-2024: Various positions at Commerzbank AG, most recently Head of Credit Risk Management SME & Collateral Management Corporate Customers Germany
• Education: Degree in Banking and Finance (with distinction), Frankfurt School of Finance & Management
• Training: Bank clerk
• Other roles:
- Advisory board member at Gründerfonds Ruhr
- Member of the steering committee at Fin.Connect NRW
- Mentor and advisory board member in business networks
• Personal details: Married, one child
Welche Rolle spielt KI in eurem Geschäftsmodell?
Kleinere Unternehmen sind oft noch weit von einer effektiven Nutzung von KI entfernt, aus unterschiedlichen Gründen wie fehlender Kapazität, mangelndem Wissen oder nicht ausreichenden finanziellen Mitteln. Mit unserem großen Programm „Invest Zukunft“ unterstützen wir Unternehmen, die bereits die nötigen Vorarbeiten leisten konnten. Doch wir überlegen, wie wir auch kleinere Mittelständler früher abholen können. Wir denken dabei an individuelle Befähigungsformate, wie etwa KIBeratung oder Unterstützung bei Machbarkeitsstudien. Schritt für Schritt wollen wir Unternehmen begleiten, indem wir zum Beispiel Digitalisierungsmanager fördern. So möchten wir durch maßgeschneiderte Unterstützung die digitale Transformation im Mittelstand vorantreiben und neben bestehenden Programmen noch gezielter befähigen.
Stichwort Work-Life-Balance: Was ist nötig, damit Mitarbeitende Familie und Beruf noch besser unter einen Hut kriegen?
Und wie machst du das? Das ist mehrdimensional. Es braucht meiner Meinung nach klare Prioritäten, die man als Familie individuell definiert. Dann braucht es eine gute Struktur sowie klare Kommunikation und Transparenz. Und es braucht auch gute Unterstützung von der Organisation und in meinem Fall als Vorständin habe ich diese auch. Ich glaube wir müssen in Deutschland noch mehr über dieses Thema diskutieren, um klare Vorstellungen zu bekommen.
Was magst Du an Düsseldorf besonders?
Ich habe schon in vielen Städten gelebt, deswegen kann ich gut vergleichen. Düsseldorf hat überschaubare Strukturen und bietet meiner Meinung nach sehr gute Möglichkeiten, dass verschiedene Menschen zusammenkommen – aus der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Kunst. Und wo das passiert, da entstehen leichter neue Ideen. Das ist etwas Besonderes und das mag ich sehr. •
Text: Tom Corrinth
Interview: Rainer Kunst
Pictures: Celine Al-Mosawi