Was wird aus uns?

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Kennt du das: Du sitzt an deinem Rechner, auch gerne mal zu einer unchristlichen Uhrzeit, stöberst in einem Onlineshop, und plötzlich öffnet sich unten ein Chatfenster und Leon, Julia 
oder Klaus fragen, wie es dir geht und ob du Hilfe beim Shoppen brauchst. Unser erster Gedanke, als diese Chats neu waren: Wow, dieser Onlineshop muss besonders professionell arbeiten, die haben Tag und Nacht Salesmanager dort sitzen, die für ihre Kunden da sind.Mittlerweile wissen wir, es handelt sich um einen Chatbot. Da sitzt kein Mensch, schon lange nicht mehr. Der Begriff setzt sich aus Chat und Roboter zusammen. Das ist KI. Künstliche Intelligenz, ein Algorithmus, ein für bestimmte Bedürfnisse programmierter Computer-
code. Ein Chatbot ist ein technisches Dialogsystem, es findet eine Interaktion zwischen Mensch und Computer statt. Ohne KI sind viele alltägliche Dinge nicht mehr vorstellbar. Siri ist KI, der Spam-Filter in unserem E-Mail-Programm ist KI.

Die Fragen, die wir uns im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz stellen und stellen sollten:

Wo führt das hin? Wird KI irgendwann über den Menschen herrschen? Welche Berufe werden automatisiert? Wird es dann überhaupt noch Menschen geben? Und was ist der große Unterschied zwischen dem menschlichen Gehirn und Künstlicher Intelligenz? Eigentlich ergänzen sie sich, denn das, was KI aktuell gut kann, kann das Gehirn eher schlecht und andersherum. Man kann es auch so erklären: KI ist unschlagbar, wenn es darum geht, in großen Datenmengen Muster zu erkennen. Unser Vorteil gegenüber einer Künstlichen Intelligenz, wir verstehen, was wir tun. Wir können schlussfolgern, wir folgen keinen starren Mustern, wir können in gewissen Situationen entsprechende Entscheidungen treffen. Übersetzungs-
seiten wie DeepL oder Google Translate sind gute Beispiele, um den aktuellen KI-Stand zu verdeutlichen. Sie können übersetzen, aber ihnen fehlt ein humanes Sprachverständnis, dadurch kommen oft krude Sätze zustande.

Wir treffen Entscheidungen, weil wir Verantwortung haben. Eine Künstliche Intelligenz hat keine Verantwortung, sie trifft also auch keine Entscheidung, denn eine Entscheidung zu treffen, beinhaltet immer auch einen Unsicherheitsfaktor. Den hat eine Maschine nicht. Eine KI würde sich nie selbst infrage stellen, zumindest, was den aktuellen Stand betrifft. KI-Experten, Neurowissenschaftler und Physiker glauben an unterschiedliche Zukunftsszenarien, wenn es um die Entwicklung von KI geht. Einige sind sich nicht mal sicher, ob es in 50 Jahren noch Menschen geben wird, andere sprechen beim aktuellen Entwicklungsstand von einer Fake Intelligence, die von ihren Denkmustern nicht an ein dreijähriges Kind rankommt.

Kristian Kersting, Professor für maschinelles Lernen an der TU Darmstadt, ist beispielsweise der Meinung, dass Künstliche Intelligenz irgendwann sehr wohl in der Lage sein wird, menschenähnliche, moralische Entscheidungen zu treffen, um daraus Ideen zu formen.

Wir Menschen sind für die KI so interessant wie Ochsenfrösche für uns.

Es gibt Experten, die sind sich sicher: Menschen sind irgendwann nicht mehr die wichtigsten Entscheidungsträger. Wir werden neben KI existieren, haben aber nicht wirklich was zu melden.

Der Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck meint, dass uns Maschinen zwar in der Rechengeschwindigkeit (aber das war auch schon der gute, alte Taschenrechner) und Mustererkennung überlegen sind und immer überlegener sein werden, aber dass zu unseren Lebzeiten eine KI niemals das soziale und kreative Denken des Menschen übertreffen wird. Bereits 1996 schlug der IBM-Computer Deep Blue das Schachgenie Garri Kasparow, weil das Spiel nach einem gewissen Muster verläuft. Beck ist der Meinung, dass das größte Potenzial des menschlichen Gehirns gegenüber einer Künstlichen Intelligenz darauf beruht, Fehler zu machen. Was zuerst kontrovers klingt, ist eigentlich genial. Viele Innovationen und Entdeckungen sind durch menschliche Fehler und immer neue Problemlösungsansätze entstanden, sei es die Glühbirne oder der Wirkstoff Penicillin.

Sogenannte Querdenker bereichern unsere Gesellschaft, werden dringend benötigt, um neue Denkmuster zu etablieren und neue Ideen in die Welt zu pusten. Auch zu Empathie und Nächstenliebe ist eine Künstliche Intelligenz aktuell nicht in der Lage. Aber sie nimmt uns jetzt schon viele Dinge ab und vereinfacht unser Leben, oftmals so, dass wir es gar nicht mehr wahrnehmen.

Vielleicht können sich KI und der Homo sapiens aber auch ergänzen. Der Mensch stellt in vielen Aspekten seines Handels einen klassischen Homo oeconomicus dar. Ein egoistischer Nutzenmaximierer, der auf seine Vorteile bedacht ist und daraus resultierend Entscheidungen trifft. Ein künstliches System hingegen trifft aus der Fülle der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die beste Entscheidung. Somit kann die KI uns natürlich auch gefährlich werden. Nehmen wir an, die Aufgabe der KI würde darin bestehen, unseren Planeten zu retten. Dann würde die KI aufgrund ihrer Informationen die bestmögliche Entscheidung treffen, um unsere Erde zu retten. Das würde wiederrum bedeuten, dass sie ihren größten Feind beseitigen muss. Und das sind nun mal wir.

Ob wir nun zusammen oder nebeneinander existieren oder ob „wir Menschen für die KI so interessant sind wie Ochsen-
frösche für uns“, wie der Direktor des Schweizer Forschungsinstituts für Künstliche Intelligenz, Jürgen Schmidhuber, kürzlich in einem Interview erklärte. Die Menschheit sei nur ein Zwischenschritt in der Evolution, so wie wir eben auch den Ochsenfröschen überlegen seien, werde uns die Künstliche Intelligenz irgendwann übertreffen. Führende Forscher und Experten sind sich uneinig, wie es ausgehen wird mit uns und der KI.

Wenn einst Computer die Macht übernehmen, werden die Menschen wie Kinder in Disneyland sein- falls sie Glück haben.

Eins sollte man bei aller Diskussion nicht vergessen: Künstliche Intelligenz ist vor allem auch das, was wir daraus machen, denn ohne das menschliche Gehirn würde sie nicht entstehen. Es gibt verschiedene Szenarien, wie unsere Zukunft aussehen könnte, welche Rolle wir dabei spielen, wieviel KI uns abnimmt und wieviel wir uns abnehmen lassen. Wollen wir hoffen, dass es nicht so weit kommt, wie es Nick Bostrom, Gründer und Direktor des Future of Humanity Institute an der Universität Oxford, in einem Interview mit Zeit Online kürzlich prognostizierte: „Wenn einst Computer die Macht übernehmen, werden die Menschen wie Kinder in Disneyland sein – falls sie Glück haben.“ •


Autorin: Britt Wandhöfer


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VIVID 04 | 2019

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