Wie Bakterien eine Million Euro produzieren

Die Herstellung von Spezialchemikalien steht vor einem Umbruch. Bakterien übernehmen die Aufgaben von Chemikern. Eine Düsseldorfer Firma am Merowinger Platz profitiert dabei von einer tollen Idee, die während des Studium an der Heinrich-Heine-Universität entstand.

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Firma: Numaferm

Adresse: Merowingerplatz 1a, 40225 Düsseldorf
Firmengründer: Christian Schwarz, Philipp Bürling

Wer von teuren Materialien träumt, denkt oft an Gold oder Platin. Doch der Preis für 
Edelmetalle ist nicht der Rede wert: Richtig wertvoll sind kleine, spezialisierte Bio-Moleküle, sogenannte Peptide. Der Durchschnittspreis für diese vielseitig verwendbaren Spezialchemikalien 
liegt bei einer Million Euro. Pro Kilogramm. Fast automatisch schießt deshalb den Besuchern bei NUMAFERM der Gedanke in den Kopf, was das weiße Pulver wohl wert sein mag, das den Boden des Glaskolbens zwei Zentimeter dick bedeckt. Denn das Technologie-Start-up am Merowinger Platz produziert Peptide, speziell nach dem Wunsch der Kunden maßgeschneiderte Moleküle. Die Ausstattung der drei Laborräume verrät nur wenig über den exklusiven Inhalt der Gefäße. Das Mobiliar haben die Firmengründer Christian Schwarz und Philipp Bürling gebraucht gekauft und einen Teil der Geräte von der Heinrich-Heine-Uni übernommen. Die Maschinen und Aufbauten sind ganz typisch für ein Labor, aber die Gasentwicklung in den gläsernen Fermentern führt Experten schnell auf die richtige Spur. Hier tun Bakterien ihren Dienst als winzige Bio-Fabriken. Die Gründer von NUMAFERM haben einen neuen und effektiven Weg gefunden, die teuren Peptide herzustellen. Christian Schwarz ist der geistige Vater des Verfahrens, das durch Patente geschützt ist und unter das Firmengeheimnis fällt. Die Geschichte des Unternehmens ist gerade einmal zehn Jahre alt. 2009 entdeckte Schwarz als Student eine Methode, die es möglich macht, Peptide im richtigen Moment durch die Zellwand eines Bakteriums zu schleusen. Vielen Unternehmen der Biotechnologie nutzen die gentechnisch spezialisierten Bakterien bereits seit Jahrzehnten als Fabriken zur Herstellung von Proteinen, den viel größeren Verwandten der Peptide. Doch Proteine können sich durch ihre komplexe Struktur vor den Stoffwechselprozessen im Inneren eines Bakteriums schützen. Peptide sind dafür in der Regel zu klein, sie werden schnell wieder zerstört, wenn sie nicht durch eine Fähre nach außen transportiert werden.

85 Prozent der Peptide werden mitHilfe der klassischen chemischen Synthese hergestellt.

„Christian hat keinen Tag gezweifelt, dass seine Idee die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen sein kann“, erzählt Philipp Bürling, der seine Wirtschaftskompetenz in die Firma eingebracht hat. Die beiden Geschäftsführer verbindet eine lange Freundschaft. NUMAFERMs Weg ist ihre gemeinsame Idee, die mittlerweile zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Schwarz hat das Know-how entwickelt und das Upscaling von Laborbedingungen bis hin zu kleinen Produktionseinheiten vorangetrieben. Bürling muss die Kunden davon überzeugen, dass die Produkte aus Düsseldorf dem Angebot der Wettbewerber in nichts nachste-
hen. Denn NUMAFERM dringt in einen Markt vor, der seit Jahrzehnten von einem anderen Verfahren dominiert wird. „85 Prozent der Peptide werden mithilfe der klassischen chemischen Synthese hergestellt“, erklärt Bürling.

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Seine Argumente dafür sind gut. Nicht nur, weil Schwarz‘ Doktorarbeit am Institut für Biochemie der Heinrich-Heine-Universität 2013 mit dem Deutschen Studienpreis ausgezeichnet wurde und NUMAFERM durch die Uni, das Bundeswirtschaftsministerium und die EU gefördert wurde. Das junge Unternehmen hat schon etliche Auszeichnungen gesammelt und namhafte Experten wie Detlev Riesner und Jürgen Schumacher, die Mitgründer von Qiagen, für sich gewonnen. Auch die Zahlen sprechen für Bakterien als Biofabrik. Der neue Prozess sei mindestens um den Faktor 10 bis 50 effizienter, berichtet Bürling. Für die Herstellung von einem Kilogramm Peptid können bei der chemischen Synthese fast 25 Tonnen Hilfsstoffe nötig werden, die teils sehr giftig sind. Bakterien vertragen dagegen keine toxische Umgebung. NUMAFERM kann dadurch nicht nur deutlich günstiger produzieren, sondern leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit. Die Ansprüche an das Unternehmen in einer kritischen Branche sind gleichzeitig sehr hoch. Doch bisher konnte das Team den potenziellen Kunden binnen sechs bis zwölf 
Wochen nach deren Anfrage das erste Milligramm des gewünschten Peptids zu Testzwecken schicken.

Christian hat keinen Tag gezweifelt, dass seine Idee die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen sein kann.

Die Anforderungen der Kunden sind sehr unterschiedlich, die Pharmabranche verlangt beispielsweise zur Herstellung von Medikamenten hohe Reinheiten. „Wir reagieren sehr flexibel und haben keine typischen Kunden“, erklärt Philipp Bürling. Das liegt vor allem an der außergewöhnlich vielseitigen Verwendung der riesigen Gruppe unterschiedlicher Peptide. Sie fungieren beispielswiese als Entzündungshemmer in Cremes, verbessern die 
Eigenschaften von Kosmetika oder haften mit Hilfsstoffen an Stahloberflächen, damit empfindliche Stellen vor Korrosion geschützt werden. Interessant 
sind auch die anti-mikrobiellen Eigenschaften gegen Keime und Krankheitserreger: Als natürlich her-
gestelltes Desinfektionsmittel könnten Peptide die Hygiene in Krankenhäusern verbessern.

Bürling ist angesichts der Palette der Möglichkeiten überzeugt, dass der Einsatzbereich von Peptiden rasch wachsen wird, wenn es gelingt, die Herstellungskosten drastisch zu senken. NUMAFERM beteiligt sich deshalb auch an Forschungsprojekten zum Einsatz von Peptiden. Die Bio-Fabriken sind eine Wette auf die Zukunft. Wenn die Bakterien ihren Job machen und die Entwickler die richtigen Bedingungen schaffen, kann der Markt sehr schnell wachsen. Philipp Bürling und Christian Schwarz sind dafür bereit. •

www.numaferm.com

Numaferm-Fakten

• Gründung: Eintrag der GmbH ins Handelsregister Januar 2017. Das davor noch an der Uni Düsseldorf angesiedelte
NUMAFERM-Team startete bereits im Oktober 2015.

• Mitarbeiter: 12

• Umsatz: Im Gründungsjahr 137.000 EUR. Dieses Jahr werden es einige hundert-
tausend Euro, aber noch keine Million sein.


Autorin: Rainer Kurlemann

Fotos: Michael Englert


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VIVID 03 | 2019

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