Fashion Evolution

 

Wie ein eleganter Faden schlängelt sich die Modewelt durch die Stadt, und zwar – typisch Düsseldorf – auf kurzen Wegen. Von den High Fashion Boutiquen auf der weltbekannten Königsallee bis zu den Showrooms etablierter Brands sind es nur wenige Minuten zu Fuß. Auch Designer:innen eigener, kleinerer Brands prägen mit ihrer Arbeit das modische Erscheinungsbild in Boutiquen und Ateliers in Flingern, Unterbilk und im Hafen – und an vielen weiteren Orten. Sogar die Toten Hosen haben der „Modestadt Düsseldorf“ bereits in den 1980er Jahren einen eigenen Song gewidmet. Aber wie geht es der Branche, speziell dem stationären Einzelhandel, heute nach einer Pandemie, in einer Zeit, in der Online-Handel stark wächst und Mega-Themen wie Nachhaltigkeit und Diversity ganz neue Anforderungen an das Fashion-Business stellen?


 

Ein erster nüchterner Blick auf die aktuellste Wirtschaftsstatistik aus dem Jahr 2020, also Corona-Jahr 1, zeigt: 1.067 Unternehmen mit fast 18.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten innerhalb der Branche, zusammen haben sie im Stadtgebiet 9,03 Mrd. Euro Jahresumsatz gemacht. „Die Branche“, das ist ein überaus vielfältiges Potpourri mit Playern aus Bekleidung, Accessoires, Beauty und Lifestyle (siehe auch S. 16). Gegenüber 2018 verzeichnet sie damit einen leichten Rückgang (1.153 Unternehmen, ca. 19.200 Beschäftigte, ca. 10,2 Mrd. Euro Umsatz). Sie ist aber immer noch ein Umsatztreiber in der Rheinmetropole – und die Stadt macht viel dafür, diesen Status zu halten und auszubauen.

Die Rede „Planning, Building, Living“ von Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller auf der Immobilienmesse MIPIM im März 2023, zu sehen im YouTube-Channel der Stadt, ist diesbezüglich ein klares Statement. „Kö-Bogen 1 und 2 haben gezeigt, dass es möglich ist, eine Stadt völlig neuzugestalten. Und wir werden jetzt den nächsten Schritt machen. Rund um die weltbekannte Einkaufsmeile werden in den nächsten fünf Jahren 2,5 Milliarden Euro investiert. Für den Calatrava Boulevard (Centrum Gruppe) allein 1,1 Milliarden Euro. Trinkhaus Caree 500 Millionen (Momeni), Le Coer 400 Millionen (Hines), Kö-Tower Königsallee 106 300 Millionen (Catella) und den Umbau von Galeria Kaufhof 120 Millionen (Signa)", sagte das Stadtoberhaupt in Cannes. Diese enormen Investitionen werden auch dem Fashion-Business zugutekommen.

Kö-Bogen 1 und 2 haben gezeigt, dass es möglich ist, eine Stadt völlig neuzugestalten.
— Dr. Stephan Keller Lord Mayor of Düsseldorf

„Düsseldorf ist und bleibt für mich der Mode-Standort Nummer 1 in Deutschland, vor Berlin und München. Man darf nicht vergessen, was für eine Wirtschafts- und Kaufkraft wir haben, mit immer noch 600 Showrooms und den Messen, die so viele interessierte Menschen in die Stadt holen“, sagt Ulrike Kähler, Geschäftsführerin beim Düsseldorfer Messeveranstalter IGEDO Exhibitions. Bestens vernetzt in der Stadt, ist die erfahrene Unternehmerin schon jahrzehntelang im Fashion- und Messe-Business unterwegs, ihre Eltern führten über 50 Jahre das Kindermoden-Geschäft „Ulrich & Ulrike“ am Schadowplatz. „Als Modestandort sind wir eine gesetzte Größe und das ist in unserer Branche, die oft auf Glamour und Neues aus ist, manchmal etwas langweilig. Deswegen müssen wir in meinen Augen noch mehr in die Welt tragen, was Düsseldorf als Modestandort bedeutet. Vor allem zu den beiden festgesetzten Order-Terminen Ende Januar und Ende Juli sowie zu den Order-Terminen März und August für die SHOES Düsseldorf ist die Stadt ein Place-to-Be für die Branche“, so Kähler.

Rendering von Calatrava, innen

In den letzten Jahren hat die Wirtschaftsförderung Düsseldorf viel getan, um diese Sichtbarkeit zu erhöhen. „Mit der Einführung der inzwischen gut etablierten Dachmarke „Düsseldorf Fashion Days“ haben wir gemeinsam mit dem Fashion Net Düsseldorf e.V. im Jahr 2020, unmittelbar im pandemischen Geschehen, den Grundstein für unsere zukünftige Arbeit gelegt“, erklärt Amtsleiterin Theresa Winkels. Die neue Dachmarke betont, dass in Düsseldorf 365 Tage im Jahr Ordergeschäft stattfindet, mit Höhepunkten zu den Düsseldorf Fashion Days im Winter und im Sommer. „Um diese Termine in der Stadt sichtbar zu machen und den stationären Handel einzubinden, haben wir die Düsseldorf Fashion Days Festival Edition im Jahr 2021 entwickelt.

Hiermit schaffen wir jeden Sommer eine Plattform für den Einzelhandel und rücken den Modestandort Düsseldorf und das Thema Erlebnisshopping national ins Rampenlicht“, ergänzt Theresa Winkels. Im Vergleich mit anderen Metropolen kann die Stadt dabei ihre Stärke als „10-Minuten-City“ ausspielen – mit einem vielseitigen Angebot an Shopping, Kultur, Lifestyle und Gastronomie in einem sehr kleinen Radius. Auch ein Citymanagement wird seitens der Wirtschaftsförderung vorangetrieben: „Der Citymanager fungiert als zentraler Ansprechpartner für alle Anliegen der Händler vor Ort und steht dafür regelmäßig im Austausch mit den Standort- & Marketinggemeinschaften in der Landeshauptstadt. Auf dieser Grundlage wollen wir auch in den kommenden Jahren aufbauen und unsere Formate kollektiv mit den Akteurinnen und Akteuren nachhaltig und zukunftsfähig gestalten“, so Winkels.

Als Modestandort sind wir eine gesetzte Größe und das ist in unserer Branche, die oft auf Glamour und Neues aus ist, manchmal etwas langweilig

Apropos Zukunftsfähigkeit. Die ist nur möglich, wenn auch der Branchen-Nachwuchs am Standort gefördert und gehalten wird. Junge Designer:innen, die out of the box denken und handeln (siehe Seite 48). Start-ups, die mit innovativen Geschäftsideen die Modewelt voranbringen (siehe S. 38). Im Großraum Düsseldorf, wo zahlreiche spezialisierte Bildungseinrichtungen (siehe Info-Kasten) mit verschiedensten Fashion Brands vor Ort zusammenarbeiten und Events Plattformen zum Austauschen und Präsentieren bieten, findet dieser Nachwuchs ein unterstützendes Ökosystem vor. •


3 Fragen an Claudia Ebert-Hesse

Professorin Claudia Ebert-Hesse ist Studiendekanin für den Studiengang Mode Design (B.A.) im Fachbereich Design an der AMD Akademie Mode & Design Düsseldorf, die seit mehr als 30 Jahren eine Fashion-Institution ist.

Wie vernetzen Sie die Studierenden mit dem späteren Arbeitsumfeld?

Durch Kooperationen mit der Industrie oder auch mit Kulturinstitutionen geben wir ihnen sehr früh die Möglichkeit ein praxisorientiertes Netzwerk aufzubauen und zu nutzen. Kürzlich hatten wir zum Beispiel ein Projekt mit der Deutschen Oper am Rhein, dabei haben wir uns mit historischen Kostümen auseinandergesetzt. Um unser lokales Netzwerk zu stärken, treffen wir uns auch regelmäßig mit der Wirtschaftsförderung. Und natürlich pflegen wir auch ein globales Netzwerk, damit Studierende international Erfahrungen sammeln können – zum Beispiel mit Hochschulkooperationen in Europa, in den USA und in Australien

Welche Rolle spielen Trends wie Nachhaltigkeit oder Gender Identity in Ihrem Studium?

Sie beeinflussen Design und Mode extremst, deswegen sind sie integrale Bestandteile unseres Curriculums – und sie werden auch dankbar angenommen. Wir vermitteln möglichst viele Grundlagen, die hilfreich sind, um neue Design-Strategien zu entwickeln. Als einzige Modehochschule in Deutschland bieten wir auch einen Master mit Schwerpunkt Sustainability an.

Wie verändern Digitalisierung und KI das Designen von Mode?

Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung lassen sich quantitativ viele neue Ideen produzieren. Es kommt für Modedesigner:innen nun mehr darauf, auf Basis des ästhetischen Verständnisses kritisch auszuwählen und die besten Entwürfe anders zu komponieren und in neue Kontexte zu stellen, wie beim Dirigieren eines Orchesters. Diese konzeptionelle und analytische Fähigkeit wird meines Erachtens wichtiger werden.


Words: Tom Corrinth
Pictures PR, Centrum Gruppe, © Ansgar Werrelmann