“That’s an ambitious, but feasible goal!”

 

Düsseldorf ist auf dem Pfad zur Klimaneutralität 2035. Im Interview erklärt Thomas Loosen, Leiter des Düsseldorfer Amtes für Umwelt- und Verbraucherschutz, wie sich die Stadt konkret dabei engagiert und wie Unternehmen und Bürger:innen ihren Beitrag leisten können.

 

Die CO2-Bilanz ist der Maßstab auf dem Pfad zur Klimaneutralität. Was sagt diese Bilanz eigentlich genau aus? 

Die CO2-Bilanz wird deutschlandweit nach einem bestimmten Muster erstellt und wie in jeder anderen Stadt wird dieses Muster in Düsseldorf nach dem Territorialprinzip angewendet, sprich: Es werden nur die Energieverbrauchsdaten bilanziert, die dem Stadtgebiet zuzurechnen sind. So modellieren wir beispielsweise anhand unseres regelmäßig fortgeschriebenen Verkehrsmodells die tatsächlich im Düsseldorfer Stadtgebiet gefahrenen Fahrzeugkilometer, also Einheimische wie Ein- und Auspendler und Durchreisende. Die daraus resultierenden Treibhausgas-Emissionen werden dann mithilfe weiterer Faktoren wie der Fahrzeugart und dem Straßentyp ermittelt. Die städtischen CO2-Emissionen werden also berechnet. Luftschadstoffe, Feinstaub oder Ozon werden beispielsweise gemessen – nicht aber CO2! Es handelt sich bei der Bilanz um eine rechnerische Aufteilung und Annäherung, die das Thema greifbarer macht und eine gute Orientierung gibt.

Wieviel Einfluss können Sie als Stadtverwaltung auf die Bilanz nehmen?

Auf die CO2-Bilanz haben verschiedene Beteiligte Einfluss: die EU, der Bund, das Land NRW und die Kommune. Die Beschlüsse des Bundes zum Beispiel – etwa die Verlängerung der Braunkohleförderung oder die Abschaffung der Verbrenner-Autos – haben unmittelbar Einfluss auf uns. Als Kommune verfolgen wir also ein Ziel, das wir nicht hundertprozentig selbst gestalten können. Wir können allerdings wichtige Anreize schaffen und wir können selbst mit gutem Beispiel vorangehen.

 
 

“Wir müssen versuchen die Ökonomie, die Ökologie und das Soziale unter einen Hut zu bringen.”

Thomas Loosen, Head of Düsseldorf’s Office for Environmental and Consumer Protection 

 
 

Und wie gehen Sie konkret mit gutem Beispiel voran? 

Zum Beispiel nutzen wir als Stadt seit 2020 ausschließlich Ökostrom, der sich aus aktiven Erneuerbaren Energieanlagen speist. Als größter Arbeitgeber in Düsseldorf unterhalten wir zirka 2.000 Gebäude im gesamten Stadtgebiet – und diese werden jetzt sukzessive energetisch saniert beziehungsweise abgerissen und neu gebaut. Auf der Moskauer Straße entsteht ein ökologischer 110 Meter-Turm für 3.000 Beschäftigte, der nach strengsten Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen und Aspekten von Cradle-to-Cradle gebaut wird. Die neuen Gebäude dürfen entweder nur mit Erneuerbaren Energien beheizt werden oder mit Fernwärme – letzte ist aufgrund des neuen Gas- und Dampfturbinenkraftwerks ziemlich umweltverträglich in Düsseldorf. Alle geeigneten Bestandsgebäude der Stadt werden auf den Dächern mit Solaranlagen nachgerüstet. Wenn wir alle Dächer bestückt haben, wollen wir ca. 50 Prozent Stromautarkie haben. 

Welche Anreize und Unterstützungsangebote in puncto Klimaschutz bieten Sie für die lokale Wirtschaft?

Da sind wir mit einigen starken Programmen und Initiativen unterwegs. Ökoprofit® zum Beispiel unterstützt bereits seit 2008 ansässige Unternehmen dabei, nachhaltig und ressourceneffizient zu wirtschaften. Mithilfe der Mobilitätspartnerschaft Düsseldorf können Betriebe die firmeneigene Mobilität umweltgerechter gestalten. Und ganz aktuell bringen wir den Klimapakt auf den Weg.

Alle geeigneten Bestandsgebäude der Stadt werden auf den Dächern mit Solaranlagen nachgerüstet.

Was bieten Sie Bürger:innen für ihr Klimaengagement? 

NRW-weit haben wir in Düsseldorf eines der größten Förderprogramme für Bürger:innen aufgelegt. Mit „Klimafreundlichem Wohnen und Arbeiten“ können wir jährlich 6 Mio. Euro ausschütten, früher waren es zirka 2 Mio. jährlich. Die Inhalte passen wir dabei kontinuierlich der Marktsituation an: Wurden früher Blockheizkraftwerke gefördert, sind es jetzt Wärmepumpen, Fernwärme und Solarthermie. Unser Lastenfahrrad-Programm im Jahr 2021 kam sehr gut an: Als wir 2.500 Euro Zuschuss pro Rad gegeben haben, war unser Förderbudget von 2 Mio. Euro innerhalb von 2 Wochen aufgebraucht! Auch im Bildungsbereich machen wir sehr viel, da fangen wir schon bei den Kleinsten an. Über die Kampagne „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ zum Beispiel können Schulen entsprechende Programme bei der Stadt buchen – und das wird auch sehr gerne angenommen. Und wenn Kinder und Jugendliche lernen, wie man klimafreundlicher handelt, hat das wiederum Einfluss auf die Erwachsenen im Umfeld. 

In welchen Bereichen forschen Sie in puncto Klimaschutz und -anpassung?

Zusammen mit der Stadt Duisburg, den Stadtwerken Duisburg und dem Fraunhofer Institut IEG forschen wir derzeit im Düsseldorfer Norden zu den Möglichkeiten der Tiefen-Geothermie. Wir hatten ein Verbundprojekt mit Wuppertal und dem Rhein-Kreis Neuss mit der Idee, an Müllkraftwerken, Müllverbrennungsanlagen und abgeschriebenen Windkraftanlagen Wasserstoff zu erzeugen, um das für kommunale Infrastruktur zu nutzen. Daraus ist die Modellregion Wasserstoff entstanden, bei der wir Kommunen, Firmen, Erzeuger und Transporteure vernetzen. Es gibt zudem einige spannende wissenschaftliche Projekte und Studien zur Klimaanpassung, wo beispielsweise Temperaturen gemessen oder die Eignung bestimmter Pflanzen zur Stadtbegrünung untersucht werden.

Was müssen wir tun, um Klimaneutralität 2035 in Düsseldorf zu schaffen?

Wir müssen versuchen die Ökonomie, die Ökologie und das Soziale unter einen Hut zu bringen. Man muss dabei alle mitnehmen und überzeugen – und die Dinge im Gleichklang halten. Da gibt es kein Patentrezept. Die letzten Meter sind häufig die schwierigsten, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Klimaneutralität 2035 – das ist ein hehres, aber durchaus machbares Ziel! •


Words Tom Corrinth
Pictures Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz, Düsseldorf