Kunst trifft Thomas Schnalke

“Ich glaube, dass klimaneutraler Luftverkehr möglich ist”

Wie geht ein internationaler Flughafen mit einer weltweiten Pandemie und all ihren Beschränkungen um? Warum ist dieser Ort generell ein wichtiger Hub für alle Mobilitätsformen? Welche Rolle spielt dort das Thema Klimaneutralität? Und wie lässt sich ein Flughafen weiter digitalisieren? Das und noch viel mehr besprach VIVID-Herausgeber Rainer Kunst mit Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des internationalen Flughafens in Düsseldorf.

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Bei Eurem Neujahrsempfang 2020 hast Du nach einem weiteren Rekordjahr 2019 prognostiziert, dass es nicht immer so weitergehen wird – ohne zu wissen, dass wenige Wochen später Corona den weltweiten Flugverkehr über eine lange Zeit lahm legen wird. Wie seid Ihr mit dieser Krise umgegangen und wie hat sie Euch wirtschaftlich getroffen?
Erst haben wir gedacht: Das dauert vielleicht ein paar Monate und dann geht es wieder aufwärts, so wie bei anderen Katastrophen oder Krisen vorher auch. Zum Beispiel die Air Berlin-Krise, die wir überwunden haben. Oder die Finanzkrise, da lief es rund ein Jahr mal etwas schwächer und dann wieder besser. Aber das, was letztes Jahr passiert ist und dieses Jahr noch anhält, ist einfach außergewöhnlich für die gesamte Branche. Wir erleben einen massiven Einbruch, der auch nicht so schnell zu reparieren sein wird. Nach diesem Sommer bin ich aber wieder optimistischer. Die Menschen möchten wieder reisen, wollen in Urlaub fahren, wollen Verwandte und Bekannte besuchen. Und inzwischen sind die Rahmenbedingungen dafür gegeben und die Corona-Regeln haben sich eingespielt.

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In den Sommerferien 2021 hatten wir bereits wieder 50 Prozent des Passagieraufkommens aus dem Rekordjahr 2019. Wir gehen davon aus, dass wir 2025 wieder das Verkehrsniveau von 2019 erreichen werden.

Was bedeutet das für Eure Personalsituation?
Als wesentliches Instrument haben wir natürlich Kurzarbeit eingesetzt, um die Kosten runterzubekommen. Leider hat das nicht ausgereicht und wir mussten die Personalstärke anpassen. Anfang 2020 hatten wir noch rund 2.000 Beschäftigte am Flughafen Düsseldorf, jetzt sind wir deutlich unter 2.000. Das haben wir in erster Linie geschafft mit sozialverträglichen Angeboten wie Frühverrentung, Altersteilzeit und Abfindungen. Unsere Zielgerade ist also erreicht.

Gucken wir weiter nach vorne. Bis 2019 seid Ihr ja kontinuierlich gewachsen. Was sind die Erfolgsfaktoren des Flughafen Düsseldorf?
Ganz klar: der Standort. Wir haben eine sehr gute Infrastruktur, mitten in diesem riesigen Ballungsraum mit rund 18 Millionen Menschen in einem Umkreis von 100 Kilometern. Wir sind optimal angebunden an die Bahn mit dem eigenen Fernbahnhof und auch super erreichbar mit dem Auto und ÖPNV. Ich bin überzeugt davon, dass wir damit auch optimal für die Zukunft aufgestellt sind.

Der Klimawandel ist das wichtigste Thema unserer Zeit. Wie kann vor diesem Hintergrund in Zukunft Luftverkehr möglich sein?
Das ist ein Thema, das die ganze Branche mit allen Teilnehmenden betrifft – die Airlines genauso wie die Airports und auch alle Dienstleister, die dabei eine Rolle spielen. Ich glaube, dass klimaneutraler Luftverkehr möglich ist. Aber das wird nur schrittweise funktionieren. Der erste Schritt ist das synthetische Kerosin. Dazu gibt es derzeit ja Diskussionen über Zuschlagsmengen und Beimischungsquoten. Im Kurzstreckenbereich wird auch das Thema der elektrischen Flugzeuge eine Rolle spielen, der sogenannten Flugtaxis. Ich bin noch nicht sicher, wie hoch der Anteil sein wird, da müssen wir sicherlich auch die Entwicklung abwarten. Aber ich denke, dass das Thema eine Rolle spielen wird. Große technologische Sprünge in Richtung neue Flugzeuge werden sicherlich noch ein bisschen mehr Zeit in Anspruch nehmen. Denn die Flugzeuge, die heute auf den Markt kommen, haben Verbrennungsmotoren und können mit synthetischem Kerosin betrieben werden, aber eben nicht elektrisch. Und diese Flugzeuge sind mindestens 30 Jahre in Betrieb, das dürfen wir nicht vergessen. Gleichzeitig müssen wir die Sehnsucht der Menschen nach Reisen und dem Fliegen berücksichtigen. Die Luftverkehrsbranche hat sich auf die Agenda geschrieben, Klimaneutralität aktiv zu gestalten.

Auch der Flughafen Düsseldorf will klimaneutral werden – bis 2035 sollen die CO2-Emissionen auf Null und bis 2050 sogar auf Netto-Null gesenkt werden. Wie wollt Ihr das erreichen?
Indem wir zum Beispiel auf regenerative Energien umstellen: Wir werden noch sehr viel mehr Photovoltaik und viel mehr Wärmepumpen haben. Wir kaufen grünen Strom ein, werden zukünftig aber noch viel mehr in Richtung Selbsterzeugung gehen. Die vielen Fahrzeuge auf unserem Betriebsgelände werden sukzessive elektrifiziert. Und derzeit ist ein Kompensationsprojekt in Planung – zur Wiederbewaldung eines nahe gelegenen Gebiets in NRW.

Die Kapazitätserweiterung des Flughafens steht schon seit einigen Jahren auf der Agenda. Zuletzt regte sich dagegen politischer Widerstand unter anderem mit der Begründung, dass dies durch den Corona-bedingten wirtschaftlichen Abschwung derzeit nicht gerechtfertigt sei. Wie siehst Du das?
Mit der Kapazitätserweiterung bewegen wir uns im Rahmen des Planungsrechtes und es geht hier um eine langfristig wirksame Entscheidung. Mit der Beantragung wollen wir unsere vorhandene Infrastruktur flexibler und besser nutzen, und das auch nur in den Peakstunden während des Tages. Schon jetzt, mit etwa 50 Prozent des Vorkrisen-Passagiervolumens, sind wir zu diesen Peaks, etwa in den frühen Morgenstunden, gut ausgelastet. Wir sprechen hier über einen langfristigen Horizont, über die nächsten Jahrzehnte und dafür müssen wir Planungssicherheit schaffen. Manchmal wünsche ich mir, dass Politiker diesen Aspekt ein bisschen genauer in ihre Diskussionen einbeziehen und da nicht nur auf kurzfristige Parteipolitik oder Wahlkampfmodus schalten.

Du hast es eben angesprochen: Der Flughafen Düsseldorf ist ja schon heute ein Mobilitäts-Hub. Wie bindet Ihr zukünftig noch stärker Menschen ein, die mit der Bahn, dem Auto oder dem ÖPNV reisen?
Wir haben einen eigenen Fernbahnhof, der auch reichlich Kapazität bietet. Insofern sind wir prädestiniert dafür, auch Kunden zu begrüßen, die mit der Bahn fahren wollen. Das tun wir heute schon, aber das wird künftig sicherlich noch einen größeren Raum in Anspruch nehmen, genauso wie der Punkt der Einpendler: Düsseldorf ist eine der größten Pendlerstädte und ich glaube, dass wir als Mobilitäts-Hub auch eine Funktion haben können für Pendler, die dann bei uns parken und mit öffentlichen Verkehrsmitteln weiterfahren. Diese Anbindung, die ja heute schon größtenteils da ist, müssen wir noch mehr vernetzen. Und dafür bietet die Digitalisierung vieleMöglichkeiten.

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Der Flughafen lebt ja auch vom Handel bzw. von Einnahmen aus Vermietung, Vermarktung und Veranstaltungen. Da gab es Corona-bedingt jetzt auch einige Veränderungen. Wie stellt Ihr Euch in Zukunft in diesem Geschäftsbereich auf?
Im Retail-Geschäft haben wir genau dieselben Rahmenbedingungen wie Downtown auch, nämlich die Digitalisierung des Handels. Einzelhandel, Gastronomie und auch Events werden bei uns in Zukunft sehr viel stärker zusammenwachsen, was auch für die Werbeindustrie eine große Rolle spielt. Das wird eine Kombination aus kleinen Promotion-Events vor Ort und digitalen Angeboten sein. Die Gastronomie ist ohnehin sehr stark gewachsen am Flughafen und das wird sicherlich in der Nach-Corona-Zeit auch so sein. Das Catering an Bord der Flugzeuge hat arg nachgelassen in den vergangenen Jahren und diese Lücke haben wir gefüllt an den Flughäfen. Das ist gut gelungen.

Der Flughafen scheint also ein guter Ort für Markenpräsentation zu sein.
Der Flughafen ist im Grunde ein riesengroßer Marktplatz, in normalen Zeiten mit bis zu 90.000 Menschen aus aller Welt pro Tag. Und deshalb ist er in der Tat eine sehr gute Präsentationsmöglichkeit für Marken.

Warum ist Düsseldorf eine tolle Stadt?
Düsseldorf ist extrem vielfältig und weltoffen auf der einen Seite, aber trotzdem bodenständig und ein bisschen heimelig auf der anderen Seite.

Was ist Dein persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre?
Den Flughafen so aufzustellen, dass er zukunftssicher ist, das ist der wichtigste Punkt. Mit den genannten Themen und Schwerpunkten, die wir jetzt angesprochen haben. Das muss alles klappen, das fällt ja nicht vom Himmel, das muss vernünftig organisiert sein und in konkrete Projekte münden. Und all das möchte ich erfolgreich managen.


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Über Thomas Schnalke

  • since 04/2019 Chairman of the Executive Board Flughafen Düsseldorf GmbH

  • 07/2016-03/2019 Spokesman of the Executive Board Flughafen Düsseldorf GmbH

  • 11/2001-06/2016 Managing Director Flughafen Düsseldorf GmbH

  • 1999-2001 Commercial Manager at HOCHTIEF Airport GmbH

  • 1987-1991 Haniel Group (including commercial manager at ELG Haniel)

Thomas Schnalke graduated in business administration (with diploma) from the University of Applied Sciences of North-East Lower Saxony in Lüneburg. He is a member of the Executive Committee of the German Air Transport Association (BDL).

Born in Lüneburg in 1962, he lives in Düsseldorf with his wife and 11-year-old son.


Interview Tom Corrinth
Pictures Frank Beer